"Das Nichts hat keine Grenzwache: während den Molekülen am Rande eines Lochs schwindlig wird, weil sie in das Loch sehen, wird den Molekülen des Lochs ... festlig? Dafür gibt es kein Wort. Denn unsre Sprache ist von den Etwas-Leuten gemacht; die Loch-Leute sprechen ihre eigne. Das Ding an sich muß noch gesucht werden; das Loch ist schon an sich."
Kurt Tucholsky, aus: "Zur soziologischen Psychologie der Löcher", erstveröffentlicht in der Weltbühne, 17.3.1931
"Der Kernpunkt der Erfahrung scheint die innere Gewißheit zu sein, daß das unmittelbare JETZT, wie immer es geartet sein mag, das Ziel und die Erfüllung allen
Lebens ist. (...) Der eine mag sagen, daß er das Geheimnis des Lebens gelüftet hat, das aber irgendwie nicht in Worte fassen kann. Ein anderer wird sagen, daß es niemals ein Geheimnis gab und
folglich auch keine Antwort, denn alles, was die Erfahrung für ihn aufhellte, war die Irrelevanz und Künstlichkeit aller unserer Fragen.
(...) Der eine wird das Gefühl erlangen, daß sein Ego oder sein Selbst sich so weit ausdehnt, daß es das ganze Universum umfaßt, ein anderer
wird meinen, er habe sich selbst gänzlich verloren und daß das, was er sein Ego nannte, niemals etwas anderes war als eine Abstraktion. (...) Im
Wesen des Künstlers gibt es so etwas wie Philosophie, die Liebe des Wissens. Eine solche Philosophie wird keine Praktiken predigen oder vertreten, die auf Verbesserung zielen. So wie ich es
verstehe, besteht die Arbeit des Philosophen als Künstler darin, den ewigen und ziellosen Hintergrund des menschlichen Lebens zu offenbaren und zu preisen. (...) Die Sprache, die
eine solche Erfahrung in Worte faßt, ist mehr so etwas wie ein Ausruf. Oder besser noch, es ist eher Sprache der Dichtkunst als die der Logik, obwohl nicht Dichtkunst im verarmten Sinn des
logischen Positivisten, im Sinn dekorativen und schönen Nonsens. Denn eine Art Sprache gibt es, die möglicherweise etwas mitteilen kann, ohne tatsächlich in der Lage
zu sein, es zu sagen. (...) Wahrheit steht immer in Relation zu einem eingenommenen Standpunkt. Feuer ist in Relation zu Haut heiß. Die Struktur der Welt erscheint, wie sie in
Relation zu unseren Sinnesorganen und unseren Gehirnen erscheint. Gewisse Abänderungen im menschlichen Organismus könnten ihn deshalb in jene Art Wahrnehmungsempfänger verwandeln, für den die Welt so IST, wie man sie während dieser Vision sieht."
Alan Watts, in: Dies ist ES - Über Zen und spirituelle Erfahrung (1958)
"Wir brauchen weder eine neue Religion noch eine neue Bibel, sondern eine neue Erfahrung - ein neues Selbst-Gefühl. (...) Das am stärksten gehütete Tabu aller Tabus, die wir kennen, ist das Wissen, wer oder was man tatsächlich hinter der Maske eines anscheinend eigenständigen, unabhängigen und isolierten Ichs ist. (...) Angesichts einer solchen Vorstellung scheint die Erkenntnis unmöglich oder sogar absurd zu sein, dass ich selber nicht nur in einem Tropfen bin, sondern in dem ganzen Schwall Energie, der sowohl die Galaxien als auch die Zellen in meinem Körper ausmacht. (...) Es ist so, als würde man versuchen, seine eigenen Augen ohne Zuhilfenahme eines Spiegels zu sehen oder die Farbe eines Spiegels mit den Farben zu beschreiben, die sich im Spiegel reflektieren."
Alan Watts, in: DIE ILLUSION DES ICH (1966)
"Das Leben ohne Worte zu betrachten, bedeutet nicht den Verlust der Fähigkeit, Worte formen zu können, zu denken, zu erinnern, und zu planen. Zu schweigen heißt nicht, daß du das Sprechen verloren hast. Im Gegenteil, nur durch Schweigen kannst du etwas Neues finden, worüber du reden kannst. (...) Gewiß muß der revolutionäre Denker über die Gedanken hinausgehen. Er weiß, daß ihm seine besten Ideen kommen, wenn er zu denken aufgehört hat. (...) Werkzeuge wie ... das der Sprache und des Denkens sind für den Menschen nur dann von wirklichem Nutzen, wenn diese wach sind - nicht in einem Traumland von Vergangenheit und Zukunft verloren, sondern in engster Fühlung mit dem Zeitpunkt der Erfahrung, in dem die Wirklichkeit allein entdeckt werden kann: dem gegenwärtigen Augenblick. Dort ist das Leben lebendig, vibrierend, anschaulich und gegenwärtig. Dort enthält es Tiefen, die wir kaum zu erforschen begonnen haben." Alan Watts, in: WEISHEIT DES UNGESICHERTEN LEBENS (1951), Auszug aus dem Kapitel "DER WUNDERBARE AUGENBLICK"