"Unser Versuch, die hiesige Zeit zu überwinden, ist Folge und Antwort auf diesen Einbruch [des Zugleich], der ja immer von der Wahrnehmung des stets
gegenwärtigen, unsichtbaren Ursprunges durchstrahlt ist. Wo diese Überwindung gelingt, wird die Welt bis in den Alltag hinein und wir uns selber transparent. Dies Diaphan-Werden dessen, was
früher als Objekt und Subjekt dualistisch einander gegenüberstand, ist ein weiteres Kriterium für die erfolgende Herausbildung des integralen Bewußtseins. Nur dank der Diaphanität,
beziehungsweise der Transparenz, vermag das Bewußtsein integral zu werden. Und nur infolge dieser Realisation werden einerseits die Dualismen
hinfällig, ohne daß dies Rausch oder Trance oder Identitätsverlust voraussetzte oder mit sich brächte, wird andererseits die Ichfreiheit möglich, ohne daß sie von dem Abgleiten in die
Ichlosigkeit bedroht wäre. Die Überwindung der Zeit führt letztlich in die Zeitfreiheit und damit in die bewußte Teilhabe am Zugleich. Aber die Voraussetzung für all dies ist der uns
bewußt gewordene Einbruch des Zugleich, welches Zugleich dem universellen Bewußtsein und dem Ursprung nicht nur eignet, sondern mit denen es identisch zu sein scheint. (...) Heute aber
ist es generell, abendländisch gesehen, nicht mehr damit getan, beispielsweise mittels der Poesie die Gegenwart aus dem Alltag herauszuheben und mittels ihres mystischen Elementes die Überwindung der unpoetischen Zeit zu verwirklichen. Der heutige Weg führt dank des bewußt realisierten Einbruches des Zugleich
nicht in die Ichlosigkeit zurück, sondern über die Ichhaftigkeit hinaus in die Freiheit des Ich, in das Befreitsein vom Ich und der Egozentrik: in die Ichfreiheit. Es handelt sich nicht mehr um
mystische Überwältigung oder Versenkung [die traditionelle Art des Samadhi], sondern um die nüchterne Teilhabe am Ursprung, die sich nicht im heiligen Rausch, sondern in der Überklarheit der
Transparenz ereignet, wenn in urplötzlicher Erleuchtung [Satori] das an sich Unsichtbare, alles durchstrahlend,
wahrnehmbar wird."
Jean Gebser, in: DER UNSICHTBARE URSPRUNG (1970)
Tom de Toys, 4.4.2013, ANTI-E.S.
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MONOPOLIZISTEN
(PSYCHOANALYTISCHE DEKONSTRUKTION)
manchmal
wünschte ich uns
beide händchen haltend
an den anfang der geschichte
ganz zurück wo all die narben
nicht mehr jucken die verbitterung
ein ende hat die seele keine wunden
kennt und die verletzte zärtlichkeit
noch so naiv von liebe träumt
als wären wir verspielte kinder
dann durchzucken mich die schmerzen
wie ein alptraum auf der haut der
wahnsinn ist ein selbst geschaufelter
endloser abgrund eine maske
der verzweiflung die das schamerfüllte
antlitz der sadisten in ein nettes
unverfängliches gespräch verwandelt
um die hoffnung in der höflichkeit
zu pflegen die uns auch in der umarmung
vor zu viel des guten schützt die
nähe wird durch angemessene distanz
romantisiert der abstand fantasiert
den anstand das bedürfnis nach totaler
offenheit ertrinkt in einer blumenvase
mit dem etikett symbiose biologisch
abbaubar die halbwertzeit von rosen
ist wahrscheinlich unberechenbarer
als das gottesgen der sehnsucht
tapferkeit ist angesagt in diesen
nächten ohne sinn das sein
trägt seinen namen SEIN
mit würde bis wir
wissen warum es
nicht nicht
ist
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