NOBELPREIS MIT 75

"Schließlich erlebt der Mensch mit Verdrängungen keine Dinge und Menschen, sondern sein Erleben ist gedanklicher Natur. Er hat die Illusion, mit der WELT in Berührung zu sein, während er nur mit WORTEN in Berührung ist. (...) Wenn man keine Verdrängungen hat, lernt man wieder, die Wirklichkeit unmittelbar und unverzerrt zu erfassen, und erwirbt wieder die Einfachheit und Spontaneität des Kindes."
Erich Fromm, in: ZEN-BUDDHISMUS UND PSYCHOANALYSE (1960)

 

 

"GIBT ES ETWAS, DAS GESPENSTISCHER WÄRE ALS DIESER DEUTSCHE KULTURBETRIEB MIT DEM FORTWÄHRENDEN RUF NACH STIL ETC.? WO BLEIBT IHR STIL, WO BLEIBT IHR STIL? HABEN SIE DENN KEINE GUTEN MANIEREN?"

Rolf Dieter Brinkmann, in: DIE PILOTEN (1968)

 

"…was den Grad der Direktheit bestimmte, war die innere Notwendigkeit jedes einzelnen Gedichts…"

Michael Hamburger, 1969/1972 in:

DIE DIALEKTIK DER MODERNEN LYRIK

(VON BAUDELAIRE BIS ZUR KONKRETEN POESIE)

 

"In Buchhandlungen wird schon seit vielen Jahren keine Literatur mehr verkauft. Man hat sich stattdessen auf Bestseller spezialisiert."

Tom de Toys, in: "VON DER SPEZIALISIERUNG DES

BUCHHANDELS AUF BESTSELLER" (2.2.2023)

 

 

Tom de Toys, 13.1.2023 © POEMiE™ @ G-GN.de

 

NOBELPREIS MIT 75

(inspiriert vom Film >I'M STILL HERE< von/mit Joaquin Phoenix 2008/2010)

 

ich lebe wie es sich für einen dichterfürst gehört

mit einer badewanne die keinen nachbarn stört

in meiner küche kocht der kaffee frisch gemahlen

ich kann die wasser-, strom- und nebenkosten zahlen

für alles habe ich unendlich viel freizeit und

bin in jedem augenblick für einen auftritt längst bereit

das fernsehen zeigte auch schon interesse

es ging um goethe, rilke, heine, hesse

die emailbox war plötzlich voller netter angebote

war ich etwa wirklich... der einzige nicht tote?

auch in stockholm ahnte niemand den betrug:

der medienrummel reichte - für einen preis genug!

die presse kaufte meine selbstverlegten publikate

von all dem geld bezahlte ich die allerletzte rate

dann erschien die skandalöse autobiografie

"in SEINER wohnung war es immer sonnig hell.

hier schrieb ER dank der poesieroutine schnell.

veröffentlichen konnte ER die werke aber nie."

die wohnung war auch nur ein kleines zimmer

von der verzweiflung hast du keinen schimmer

jeden euro investierte ich für alte bücher denn

die bildung war mir wichtiger als brötchen

um mich für projekte zu inspirieren denn

um mich herum sah ich nur vertrocknete tücher

ja ich kann tatsächlich originelle metaphern

auch der rhythmus stimmt und all die reime

das genügt den bürgerlichen gaffern

eine prise binnenreim (natürlich keimfrei)

und aseptische alliterationen doch das

darf man dann nach zwanzig jahren belohnen

und der steuerzahler hat es sich durchaus verdient

den mehrwert der kultur für sich zu steigern denn das

land der großen dichter ist mit sprachverlust vermint

da sind wir froh um alle die sich nicht verweigern

auf dem grabstein steht in fetten lettern

DEINE FREUNDE EMPFANGEN DICH

AUF ÜBERWELTLICHEN BRETTERN

der sarg ist eine badewanne voller glück

die andern intonieren jetzt sein letztes stück und

dank des preises brauchen seine falschen erben nicht

in einer badewanne (das glück von den rändern) abzukratzen

 

 

"Um diesen 'Standard' aufrechtzuerhalten, sind die meisten von uns bereit, ein Leben hinzunehmen, das vorwiegend darin besteht, mit langweiligen Betätigungen genügend Mittel zu erwerben, um in der Zwischenzeit hektischen und teuren Vergnügen nachzugehen, die vorübergehende Erleichterung der Langeweile mit sich bringen. Diese Unterbrechungen hält man für das richtige Leben, für den eigentlichen Zweck, dem das notwendige Übel der Arbeit dient." Alan Watts, in:

WEISHEIT DES UNGESICHERTEN LEBENS (1951)

 

"Seit etwa zwanzig Jahren beherrscht müde pseudo-mystische Lyrik à la Hilde Domin und harmlose Witzeldichterei in der Nachfolge von Robert Gernhardt das Geschehen, häufig auch beides zu einem amalgamiert wie bei Durs Grünbein. (...) Wie? Tranströmer, Hummelt und Grünbein oder gar Sarah Kirsch kann man doch nicht so einfach vom Tisch wischen! Nein, das will ich auch gar nicht. Von all diesen Dichtern gibt es sehr gute Gedichte, und ich lege sie ans Herz. Aber sie vertreten eben, und propagieren, eine Art der Literatur, die, schon per se zum Schwächeanfall geneigt, in der großen Breite der unbegabteren Musensöhne und -töchter endgültig zum kitschigen Schwachsinn kollabiert. (...) Bei Grünbein oder Tranströmer ist das nur in den schlechten Gedichten so, und es gibt auch viele gute, bei denen man sich Mühe gibt, Anklänge an solche Schrecklichkeiten zu überhören. Im Jahrbuch hingegen sieht man das echte Antlitz dieser Art der Banallyrik: (...) Was soll man dazu noch sagen? Diese Lyrik hat keine Kraft, keinen Intellekt, keinen Sprachwitz. Sie ist langweilig. Und leider typisch. (...) Denn wie bei den meisten Lyrikern, die konsequent die experimentelle Traditionen des 20. Jahrhunderts am Leben erhalten, sogar auch bei Pastior, zieht schnell die Wolke der Epigonalität auf. Diese Gedichte sind geistreich und klug, aber es fehlt ihnen an Originalität, an Eigenständigkeit. (...) Nur einfach die alten Mittel der Dadaisten, Konkreten usw immer neu zur Anwendung zu bringen reicht nicht. Es fehlt den Nachahmungen an Kraft."

Samuel Meister, in: LYRIK ALS SUPPENHUHN -

ZUM JAHRBUCH DER LYRIK 2013 (larmoyanz, 1.10.2013)

 

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