"Schließlich erlebt der Mensch mit Verdrängungen keine Dinge und Menschen, sondern sein Erleben ist gedanklicher Natur. Er hat die Illusion, mit der WELT
in Berührung zu sein, während er nur mit WORTEN in Berührung ist. (...) Wenn man keine Verdrängungen hat, lernt man wieder, die Wirklichkeit unmittelbar und unverzerrt zu erfassen, und erwirbt
wieder die Einfachheit und Spontaneität des Kindes."
Erich Fromm, in: ZEN-BUDDHISMUS UND PSYCHOANALYSE (1960)
"GIBT ES ETWAS, DAS GESPENSTISCHER WÄRE ALS DIESER DEUTSCHE KULTURBETRIEB MIT DEM FORTWÄHRENDEN RUF NACH STIL ETC.? WO BLEIBT IHR STIL, WO BLEIBT IHR STIL? HABEN SIE DENN KEINE GUTEN MANIEREN?"
Rolf Dieter Brinkmann, in: DIE PILOTEN (1968)
"…was den Grad der Direktheit bestimmte, war die innere Notwendigkeit jedes einzelnen Gedichts…"
Michael Hamburger, 1969/1972 in:
DIE DIALEKTIK DER MODERNEN LYRIK
(VON BAUDELAIRE BIS ZUR KONKRETEN POESIE)
"In Buchhandlungen wird schon seit vielen Jahren keine Literatur mehr verkauft. Man hat sich stattdessen auf Bestseller spezialisiert."
Tom de Toys, in: "VON DER SPEZIALISIERUNG DES
BUCHHANDELS AUF BESTSELLER" (2.2.2023)
Tom de Toys, 13.1.2023 © POEMiE™ @ G-GN.de
(inspiriert vom Film >I'M STILL HERE< von/mit Joaquin Phoenix 2008/2010)
ich lebe wie es sich für einen dichterfürst gehört
mit einer badewanne die keinen nachbarn stört
in meiner küche kocht der kaffee frisch gemahlen
ich kann die wasser-, strom- und nebenkosten zahlen
für alles habe ich unendlich viel freizeit und
bin in jedem augenblick für einen auftritt längst bereit
das fernsehen zeigte auch schon interesse
es ging um goethe, rilke, heine, hesse
die emailbox war plötzlich voller netter angebote
war ich etwa wirklich... der einzige nicht tote?
auch in stockholm ahnte niemand den betrug:
der medienrummel reichte - für einen preis genug!
die presse kaufte meine selbstverlegten publikate
von all dem geld bezahlte ich die allerletzte rate
dann erschien die skandalöse autobiografie
"in SEINER wohnung war es immer sonnig hell.
hier schrieb ER dank der poesieroutine schnell.
veröffentlichen konnte ER die werke aber nie."
die wohnung war auch nur ein kleines zimmer
von der verzweiflung hast du keinen schimmer
jeden euro investierte ich für alte bücher denn
die bildung war mir wichtiger als brötchen
um mich für projekte zu inspirieren denn
um mich herum sah ich nur vertrocknete tücher
ja ich kann tatsächlich originelle metaphern
auch der rhythmus stimmt und all die reime
das genügt den bürgerlichen gaffern
eine prise binnenreim (natürlich keimfrei)
und aseptische alliterationen doch das
darf man dann nach zwanzig jahren belohnen
und der steuerzahler hat es sich durchaus verdient
den mehrwert der kultur für sich zu steigern denn das
land der großen dichter ist mit sprachverlust vermint
da sind wir froh um alle die sich nicht verweigern
auf dem grabstein steht in fetten lettern
DEINE FREUNDE EMPFANGEN DICH
AUF ÜBERWELTLICHEN BRETTERN
der sarg ist eine badewanne voller glück
die andern intonieren jetzt sein letztes stück und
dank des preises brauchen seine falschen erben nicht
in einer badewanne (das glück von den rändern) abzukratzen
"Um diesen 'Standard' aufrechtzuerhalten, sind die meisten von uns bereit, ein Leben hinzunehmen, das vorwiegend darin besteht, mit langweiligen Betätigungen genügend Mittel zu erwerben, um in der Zwischenzeit hektischen und teuren Vergnügen nachzugehen, die vorübergehende Erleichterung der Langeweile mit sich bringen. Diese Unterbrechungen hält man für das richtige Leben, für den eigentlichen Zweck, dem das notwendige Übel der Arbeit dient." Alan Watts, in:
WEISHEIT DES UNGESICHERTEN LEBENS (1951)
"Seit etwa zwanzig Jahren beherrscht müde pseudo-mystische Lyrik à la Hilde Domin und harmlose Witzeldichterei in der Nachfolge von Robert Gernhardt das Geschehen, häufig auch beides zu einem amalgamiert wie bei Durs Grünbein. (...) Wie? Tranströmer, Hummelt und Grünbein oder gar Sarah Kirsch kann man doch nicht so einfach vom Tisch wischen! Nein, das will ich auch gar nicht. Von all diesen Dichtern gibt es sehr gute Gedichte, und ich lege sie ans Herz. Aber sie vertreten eben, und propagieren, eine Art der Literatur, die, schon per se zum Schwächeanfall geneigt, in der großen Breite der unbegabteren Musensöhne und -töchter endgültig zum kitschigen Schwachsinn kollabiert. (...) Bei Grünbein oder Tranströmer ist das nur in den schlechten Gedichten so, und es gibt auch viele gute, bei denen man sich Mühe gibt, Anklänge an solche Schrecklichkeiten zu überhören. Im Jahrbuch hingegen sieht man das echte Antlitz dieser Art der Banallyrik: (...) Was soll man dazu noch sagen? Diese Lyrik hat keine Kraft, keinen Intellekt, keinen Sprachwitz. Sie ist langweilig. Und leider typisch. (...) Denn wie bei den meisten Lyrikern, die konsequent die experimentelle Traditionen des 20. Jahrhunderts am Leben erhalten, sogar auch bei Pastior, zieht schnell die Wolke der Epigonalität auf. Diese Gedichte sind geistreich und klug, aber es fehlt ihnen an Originalität, an Eigenständigkeit. (...) Nur einfach die alten Mittel der Dadaisten, Konkreten usw immer neu zur Anwendung zu bringen reicht nicht. Es fehlt den Nachahmungen an Kraft."
Samuel Meister, in: LYRIK ALS SUPPENHUHN -
ZUM JAHRBUCH DER LYRIK 2013 (larmoyanz, 1.10.2013)