Lyrik für das 23.Jahrhundert ~ Während die transzendentalen Weltreligionen genauso wie die idealistische Philosophietradition nichts als metaphysische Abwesenheiten beschwören (dualistisch affirmativ-objektkulturell), mit mehr oder weniger verheißungsvollen Utopien der ultimativen Anwesenheit eines Gottes, eines absoluten Weltgeistes, einer esoterischen Erleuchtung oder eines anderen "heiligen" Zustandes der urschizophrenen Ich-Illusion, überwindet das integrale Individuum seine persönliche Entfremdung vom direkten Leben durch eine transdualistische Heimkehr ins tiefenorganische Jetztgefühl seiner perinzendenten Inwesenheit aus seiner leeren Mitte... / DIREKTVERTRIEB ÜBER BoD-Verlag
"Das Düsseldorfer Dichtermonster – meist steigert er sich
in einen rauschhaften Zustand: Der Bewußtseinspionier
möchte mit seiner Kunst jede Art von Religion überwinden."
F.A.Z. (1997)
"...der mit seiner 'Grundlosen Inwesenheit' das
ewige Präsenz zur Kernbotschaft erhebt..."
taz (1999)
Freiherr von Freifahren, 1.8.2014
AUF TUCHFÜHLUNG MIT DER SEINSFÜHLUNG
ich bin niemals wirklich weit weg gewesen
nur die illusion in meinem kopf
hat einen abstand zur gesamten welt gebraucht
bis sich die ängste vor der eigenen selbstfühlung
als überflüssiges schmerzgedächtnis erwiesen
und alle argumente gegen den körper
als sinnlose veraltete schutzgedanken
gegen die schatten der vergangenheit kämpften
der ganze spuk der abstrakten abwesenheit
war nur der einsame wunsch nach dem utopischen ort
wo das ich sich zuhause fühlt ohne erklären zu müssen
warum und wozu es die eigene existenz bejaht
sondern ganz einfach in seiner eigenen mitte ruht
die sich bewußtsein nennt und darum
bewußtheit für alles tatsächliche erzeugt
das sich im ontischen ozean der elemente begegnet
die götter der sehnsucht zersetzen sich
und der alleroberste letzte gott hinter gott
löst sich in heiliges wohlgefallen auf
Sebastian Nutzlos, 11.8.2014
KULTURFREIES GEBET
(JENSEITS ALLER GLAUBENSSYSTEME)
in meinem jetzigen zimmer
hängt kein gekreuzigter
sitzt kein erleuchteter
schwebt kein versunkener
fliegt kein erhabener
tanzt kein verzauberter
denkt kein besessener
spricht kein erwählter und
wartet kein auferstandener
auf meine seele denn diese
ist leer wie das flussbett
bei vollmond am hellichten tage
kein ich maßt sich an
in der mitte zu wohnen
kein du mutet mir zu
etwas anderes so sehr zu dutzen
wie das gespülte geschirr und
die blitzblanken gläser
aus denen ich nichts trinke
kein nichts bringt mich mehr
aus der ruhe denn ich
vertilge es in jedem bissen
die göttliche wüste blüht
in meinem herzen ein ozean
aus zerfließenden sandrosen
und singenden windhosen
die sehnsucht wurde brutal gestillt
in meinem menschenleeren zimmer
stört heute kein volk und kein
gott diese andächtige urgeburt
"Heute aber ist es generell, abendländisch gesehen, nicht mehr damit getan, beispielsweise mittels der Poesie die Gegenwart aus dem Alltag herauszuheben und
mittels ihres mystischen Elementes die Überwindung der unpoetischen Zeit zu verwirklichen. Der heutige Weg führt dank des bewußt realisierten Einbruches des Zugleich nicht in die Ichlosigkeit
zurück, sondern über die Ichhaftigkeit hinaus in die Freiheit des Ich, in das Befreitsein vom Ich und der Egozentrik: in die Ichfreiheit. Es handelt sich nicht mehr um mystische Überwältigung
oder Versenkung [die traditionelle Art des Samadhi], sondern um die nüchterne Teilhabe am Ursprung, die sich nicht im heiligen Rausch, sondern in der Überklarheit der Transparenz ereignet, wenn
in urplötzlicher Erleuchtung [Satori] das an sich Unsichtbare, alles durchstrahlend, wahrnehmbar wird."
Jean Gebser, in: DER UNSICHTBARE URSPRUNG (1970)