Ob es nun also "die" LEERE (als abstrakte Form oder konkrete Inhaltslosigkeit?) und damit "das" CHAOS (als GOTT hinter den Göttern?) oder den astrophysikalischen Urknall (als sagenhafte Singularität?) "an sich" gibt oder nicht gibt bzw. was "geben" (im Sinne von "exISTieren") eigentlich (d.h. absolut isoliert betrachtet) überhaupt (also über das denkende Haupt hinweg) bedeutet, scheint in sehr vielen Disziplinen eine so verzwickte Angelegenheit zu sein, wie es schon William James in der neuroastronomischen Metapher der unendlichen Reihe Schildkröten, die auf dem Rücken der nächsten Schildkröte stehen, für den inflationären Versuch ausdrückt, etwas "Letztes" zu begreifen, worüber sich manche Traditionen meditativ ausschweigen. Wir begnügen uns daher mit den bisherigen Ausführungen und tauchen lieber noch einmal in Hesiods GESCHICHTE selbst ein, um diesen altgriechischen Mythos vom "Ursprung" der Welt in seiner bezaubernden Bildgewalt zu genießen:
Gustav Schwab: "DIE SCHÖNSTEN SAGEN
DES KLASSISCHEN ALTERTUMS" (1838–1840):
"Die mächtigsten Gottheiten der alten Zeit - wie Gaia (Gäa), die Erdmutter, Okeanos, der Weltenstrom, Zeus, der Wetter- und Himmelsbeherrscher - waren
Naturgötter. In ihnen verkörperten sich für die Menschen der Frühzeit die Gewalten der Elemente, denen sie gegenüberstanden. Ihren Willen zu enträtseln, sie durch Verehrung und Opfer günstig zu
stimmen, war der Inhalt ihrer Religion. (...) Im Anfang herrschte, wie der Dichter Hesiod erzählt, das Chaos, die gestaltlose Leere. Ihm entsprang Gaia, die Erde, und Eros, die Liebe. Gaia
erzeugte aus sich selbst Gebirge, Meer und Himmel und mit dem Himmel (Uranos) gemeinsam die Titanen. Der Titan Kronos beraubte seinen Vater Uranos der Herrschaft und verstümmelte ihn mit einer
Sense. Aus dem Blut des Verwundeten erwuchsen die Rachegöttinnen (Erinnyen), die Giganten und Nymphen. Kronos, der die Herrschaft an sich gerissen hatte, vermählte sich mit der Titanin Rhea.
Unter seinen Kindern ragen besonders Demeter und Hera, Hades und Poseidon hervor. Der jüngste seiner Söhne, Zeus, begann vom Olymp, einem Berg in der Landschaft Thessaliens, den Kampf gegen
Kronos, der mit dem Sieg des Olympiers endete. Zeus ist von nun an der Weltbeherrscher. Seinen Brüdern Poseidon und Hades überläßt er das Meer und die Unterwelt. Auf dem Olymp stehen die von
Hephästos, dem Gott des Feuers und der Schmiedekunst, errichteten Götterpaläste. Sie ragen in den Himmel, an dem täglich der Sonnengott Helios und die Gestirne auf- und niedersteigen. Die Erde
ist eine Scheibe und wird von Okeanos, dem Weltstrom, umflossen. Zeus, als Sohn des Kronos der Kronide genannt, lenkt Wolken, Regen, Schnee, Hagel, Donner und Blitz und ist der Ordner und
Erhalter der Welt. (...) Seine Gemahlin Hera ist die Beschützerin der Ehe und der Familie. Athene, die Lieblingstochter des Zeus, ist besonders durch Klugheit und Mut ausgezeichnet. (...)
Aphrodite gilt als die Göttin der Schönheit und der Liebe, sie ist die Gemahlin des lahmen und häßlichen, dafür aber kunstreichen Hephästos. (...) Zu den Nebengöttern werden Helios (Sonne),
Selene (Mond) und Eos (Morgenröte) gezählt. (...) Tief im Meer thront Poseidon, der Beherrscher der Wogen, mit seiner Gemahlin Amphitrite. (...) Im Totenreich gebieten Hades und seine Gemahlin
Persephone. Hier sind auch Hypnos (Schlaf), Thanatos (Tod), der Höllenhund Kerberos (Zerberus) und Charon, der Fährmann am Unterweltsfluß Acheron, zu finden. Demeter ist wie Gaia die Göttin der
Erde. Sie ist die Stifterin des Ackerbaus, der Feldfrüchte und des Gedeihens, aber auch der Sitten. Dionysos (Bacchus) wird als Gott des Rausches, der Begeisterung und als der Gebieter über den
Wahnsinn verehrt. Von dem dicken Zecher Silenos, von Satyrn und Mänaden begleitet, zieht er durch die Lande und verwirrt die Menschen."
Und genau hier schließt sich der kosmische Kreis auf eine schockierende Weise, denn das vorweltliche Urchaos ist nun als ein künstliches Ersatzchaos
doch in den Köpfen der dystopisch-drogenverseuchten Menschheit ausgebrochen (und selbst der beste Psychotherapeut kann jetzt keine Heilung erzwingen, denn auch er ist kein allmächtiger
Gott), die sich im radikal-positivistischen Endspurt-Leerlauf wie sonnenlichtscheue Zombies verrennt anstatt sich auf ihre galaktische Tiefendimension zu besinnen: die reale
Sonne (HELIOS & APOLLON), um die unser Heimatplanet Erde (GAIA & DEMETER) mit schwindelerregender Geschwindigkeit durch das reale Vakuum (URANOS, KOSMOS &
ATLAS) schlingert, was einem tagtäglich den Atem auch ohne bewußtseinserweiternden Drogenkonsum rauben würde, wenn wir nicht dank der hauchdünnen Atmosphäre einen kühlen Kopf bewahren könnten!
Allerdings bleibt eine allerletzte Frage offen: WURDE DAS URSPRÜNGLICHE URCHAOS, AUS DEM DIE WELT HERVORGING, AUCH VON IRGENDWEM ODER IRGENDWAS ERSCHAFFEN - ODER BESTEHT ES GANZ
EINFACH NUR AUS UNVORSTELLBARER LEERE JENSEITS DER LEERE DER LEERE AD INFINITUM, DEREN RÜCKSEITE HINTER DEM INFLATIONÄREN ENDE PARADOXERWEISE NICHT EXISTIERT? Ein urängstlicher Mensch, der diese banale Bodenlosigkeit fürchtet, weil
er keine gedanklichen Flügel zum abgrundtief grundlosen Schweben entwickeln durfte (Achtung: der heilsame Mythos vom URENGELin uns wird in einer anderen Märchenstunde erzählt!) würde sich hier vielleicht wieder
mit seinem Aberglauben an irgendein freundliches GOTTESBILD zufrieden geben, während die entkernte Seele eines tanzenden Herzens, das keinen festen Atomkern benötigt, um sich als
Bestandteil oder -welle eines holistischen Bioresonanzfeldes zu spüren, auf das gnostische PLEROMA (als Urgott hinter ABRAXAS) verweisen könnte, das C.G.Jung in seinen von ihm als Jugendsünde
bezeichneten "Septem Sermones ad Mortuos" (Die sieben Belehrungen der Toten) 1916 visionär beschrieb:
"Gott ist Creatur, denn er ist etwas bestimmtes und darum vom Pleroma unterschieden. Gott ist eigenschaft des Pleroma, und alles, was ich von der Creatur sagte,
gilt auch von ihm. Er unterscheidet sich aber von der Creatur dadurch, daß er viel undeutlicher und unbestimmbarer ist, als die Creatur. Er ist weniger unterschieden als die Creatur, denn der
grund seines wesens ist wirksame Fülle, und nur insofern er bestimmt und unterschieden ist, ist er Creatur, und insofern ist er die verdeutlichung der wirksamen Fülle des Pleroma. Alles,
was wir nicht unterscheiden, fällt ins Pleroma und hebt sich mit seinem gegensatz auf. Darum, wenn wir Gott nicht unterscheiden, so ist die wirksame Fülle für uns aufgehoben. Gott ist
auch das Pleroma selber, wie auch jeder kleinste punkt im geschaffenen und im ungeschaffenen das Pleroma selber ist. (...) Gott und Teufel sind unterschieden durch voll und leer, zeugung und
zerstörung. Das WIRKENDE ist ihnen gemeinsam. Das Wirkende verbindet sie. Darum steht das Wirkende über beiden und ist ein Gott über Gott, denn es vereinigt die Fülle und die Leere in ihrer
wirkung. Dies ist ein Gott, von dem ihr nicht wußtet, denn die Menschen vergaßen ihn. Wir nennen ihn mit seinem namen ABRAXAS. Er ist noch
unbestimmter als Gott und Teufel. Um Gott von ihm zu unterscheiden, nennen wir Gott HELIOS oder Sonne. (...) Hätte das Pleroma ein wesen, so wäre der Abraxas seine verdeutlichung. Er ist
zwar das wirkende selbst, aber keine bestimmte wirkung, sondern wirkung überhaupt. Er ist unwirklich wirkend, weil er keine bestimmte wirkung hat. Er ist auch Creatur, da er vom Pleroma
unterschieden ist. (...) Er ist die gewaltigste Creatur und in ihm erschrickt die Creatur vor sich selbst. Er ist der geoffenbarte widerspruch der Creatur gegen das Pleroma und sein
nichts. Er ist das entsetzen des sohnes vor der mutter. Er ist die liebe der mutter zum sohne. Er ist das entzücken der erde und die grausamkeit der himmel. Der mensch erstarrt vor seinem
antlitz. Vor ihm giebt es nicht frage und nicht antwort. (...) Jeder Stern ist ein gott und jeder raum, den ein stern füllt, ist ein teufel. Das leervolle des ganzen aber ist das
Pleroma. Die wirkung des ganzen ist der Abraxas, nur unwirkliches steht ihm entgegen. (...) Die vielzahl der götter entspricht der vielzahl der menschen. Unzählige
götter harren der menschwerdung. Unzählige götter sind menschen gewesen. Der Mensch hat am wesen der götter teil, er kommt von den göttern und geht zum Gotte. So, wie es sich nicht lohnt über das
Pleroma nachzudenken, so lohnt es sich nicht, die vielheit der götter zu verehren. Am wenigsten lohnt es sich, den ersten Gott, die wirksame Fülle und das summum bonum, zu verehren. Wir
können durch unser gebet nichts dazu tun und nichts davon nehmen, denn die wirksame Leere schluckt alles in sich auf. Die hellen götter bilden die himmelswelt, sie ist vielfach und unendlich sich
erweiternd und vergrößernd. Ihr oberster herr ist der Gott Sonne. Die dunkeln götter bilden die erdenwelt. Sie ist einfach und unendlich sich verkleinernd und vermindernd. Ihr unterster herr ist
der Teufel, der mondgeist, der trabant der erde, kleiner und kälter und toter als die erde. Es ist kein unterschied in der macht der himmlischen und der erdhaften
götter. Die himmlischen vergrößern, die erdhaften verkleinern. Unermeßlich ist beiderlei richtung. (...) Der mensch ist ein thor, durch das ihr aus der außenwelt der götter, daemonen und
seelen eintretet in die innenwelt, aus der größeren welt in die kleinere welt. (...) In unermeßlicher entfernung steht ein einziger stern im zenith. Dies ist der eine Gott dieses einen,
dies ist seine Welt, sein Pleroma, seine göttlichkeit. In dieser welt ist der mensch der Abraxas, der seine welt gebiert oder verschingt. Dieser stern ist der Gott und das ziel des
menschen. (...) Das gebet mehrt das licht des sternes, es schlägt eine brücke über den tod, es bereitet das leben der kleineren welt, und mindert das hoffnungslose wünschen der größeren
welt. Wenn die größere welt kalt wird, leuchtet der stern."
C.G.Jung: "VII SERMONES AD MORTUOS" (1916)
Wenn also die Götterfunken erlöschen (die SYMBOLE uns anschweigen), brennt dieses Feuer der SEHNSUCHT in der empfänglichen Seele des "zeitwachen" Menschen
weiter, das SEIN nach dem SINN seiner Existenz zu befragen, indem er mit weit geöffneten Sinnen den "chaotischen" Urgott hinter allen Göttern im Mitmenschen befreit staunend visioniert, soll heißen: ihn und sich selbst nicht nur als
ausweglos psychisch Befangenen behandelt sondern auch als bereits BEI SICH (GEGENSEITIG) "angekOMmene" lichtdurchflutete Geschöpfe akzeptiert...
"Im Ansatz der Stimme des Priesters höre ich den Urschrei der Dschungelkreatur. Er ist aber abgewandelt, ausgebaut, verfeinert und über die Jahrhunderte von der Kultur geformt worden. Jeder neue Spielzug, jede weitere Verfeinerung, diente dazu, die Wirkung des Urschreis zu verbessern. (...) Die Menschen um mich herum sind nicht mehr die alltäglichen, geplagten kleinen Persönlichkeiten mit Namen, Adressen und Altersversicherungsnummern und auch nicht länger die auf eine bestimmte Dauer programmierten Sterblichen, die wir alle zu sein vorgeben. Ohne ihre Menschlichkeit verloren zu haben, sehen sie eher aus wie ihre unsterblichen Archetypen. Ähnlich wie die Stimme des Priesters manifestieren ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten die ganze Geschichte der Menschheit. Sie sind gleichzeitig einmalig und ewig, ebenso Männer und Frauen wie Götter und Göttinnen. Da wir genug Zeit haben, um uns gegenseitig anzusehen, sind wir zeitlos geworden. Die menschliche Form des Lebens erscheint nun unermesslich kostbar. (...) Ich versuche, die Worte zu finden, um eine Ahnung der himmlischen, mythologischen Eigenschaften dieser Menschen zu vermitteln. Sie sind mir aber gleichzeitig so vertraut, als würde ich sie seit Jahrhunderten kennen. Ich erblicke in ihnen verlorene Freunde aus einem Land, das vor den Welten erschaffen worden war, und die ich schon am Anfang der Zeit gekannt habe. Natürlich ist diese Erinnerung mit dem Wiedererkennen meiner eigenen uralten Identität verknüpft."
Alan Watts: "KOSMOLOGIE DER FREUDE" (1962)
"Davon, daß es ein nicht psychisches, transzendentes Objekt gibt, ist die Naturwissenschaft stillschweigend überzeugt. Sie weiß aber auch, wie
schwierig es ist, die wirkliche Natur des Objekts zu erkennen, namentlich dort, wo das Organ der Wahrnehmungen versagt oder gar fehlt, und wo passende Denkformen nicht vorhanden sind,
beziehungsweise erst noch erschaffen werden müssen. In jenen Fällen, wo weder unsere Sinnesorgane noch deren künstliche Hilfsapparate das Vorhandensein eines realen Objekts
verbürgen, wachsen die Schwierigkeiten ins Ungeheure, so daß man sich versucht fühlt zu behaupten, es sei überhaupt kein reales Objekt vorhanden."
C.G.Jung: "Erinnerungen, Träume, Gedanken" (1961)
"Der Begriff des Archetypus (...) wird aus der vielfach wiederholten Beobachtung, daß zum Beispiel die Mythen und Märchen der Weltliteratur bestimmte, immer und
überall wieder behandelte MOTIVE enthalten, abgeleitet. (...) Sie gehen hervor aus dem an sich unanschaulichen Archetypus, einer unbewußten Vorform, die zur vererbten Struktur
der Psyche zu gehören scheint und sich infolgedessen überall auch als spontane Erscheinung manifestieren kann."
C.G.Jung: "Das Gewissen in psychologischer Sicht" (1958)