Poemie: SONNE(tt)IST(ischer) ÜBER(Griff) ALL

Mein zweites Sonett (nach der Hommage an Bertolt Brecht von 1998) entstand im Frühling 2004 (das Platzhalterwort "LEBEN" konnte aber erst 2008 gegen das fehlende richtige Wort "WUNDER" ausgetauscht werden) beim Aufwachen im rustikalen, verstaubten Gastzimmer des Soziokulturellen Zentrums St.Spiritus in Greifswald, wo ich anläßlich meiner beiden Lesungen (vormittags der Auftritt im Germanistik-Seminar am Institut für Deutsche Philologie sowie abends öffentlich im Falladahaus) dank der Vermittlung von Dr. Michael Gratz übernachtete:

DIE MACHT DER ELEKTRIZITÄT (c) De Toys, 9.11.2010 (Gaslaterne 2, Berlin-Tiergarten)
DIE MACHT DER ELEKTRIZITÄT (c) De Toys, 9.11.2010 (Gaslaterne 2, Berlin-Tiergarten)

"Der Kernpunkt der Erfahrung scheint die innere Gewißheit zu sein, daß das unmittelbare JETZT, wie immer es geartet sein mag, das Ziel und die Erfüllung allen Lebens ist. (...) Der eine wird das Gefühl erlangen, daß sein Ego oder sein Selbst sich so weit ausdehnt, daß es das ganze Universum umfaßt [=Fülle], ein anderer wird meinen, er habe sich selbst gänzlich verloren und daß das, was er sein Ego nannte, niemals etwas anderes war als eine Abstraktion [=Leere].(...) Die Sprache, die eine solche Erfahrung in Worte faßt, ist mehr so etwas wie ein Ausruf. Oder besser noch, es ist eher Sprache der Dichtkunst als die der Logik, obwohl nicht Dichtkunst im verarmten Sinn des logischen Positivisten, im Sinn dekorativen und schönen Nonsens. Denn eine Art Sprache gibt es, die möglicherweise etwas mitteilen kann, ohne tatsächlich in der Lage zu sein, es zu sagen." Alan Watts:

Dies ist ES - Über Zen und spirituelle Erfahrung (1958)

 

"Die Ewigkeit ist das Jetzt, und in einer von der Verdrängung befreiten Schau der Dinge erweisen sich der physische Organismus und die natürliche Welt als die göttliche Welt. Aber solange das Leben als Kampf gegen den Tod aufgefaßt wird, kann dies nicht erkannt werden. (...) Die Aktivitäten des Lebens werden deshalb vom neurotischen Wiederholungszwang bestimmt, von einer Suche nach der Fortsetzung des Lebens, nach mehr und mehr Zeit, in der wir durch irgendein Wunder zu erfassen hoffen, was uns in der Gegenwart immer entgeht." Alan Watts, in:

PSYCHOTHERAPIE UND ÖSTLICHE BEFREIUNGSWEGE (1961)

 

 

Tom de Toys, 7.+29.+30.5.2004 & 8.4.2008

SONNE(tt)IST(ischer) ÜBER(Griff) ALL

 


aus sonne geboren trifft mich der morgenstrahl /
durch einen holzspalt dringt photonendruck /
den wachen augen bleibt da keine wahl /
das phänomen strömt über mir zum stuck /


( aus zimmerstaub wird zehn minuten lang /
  ein glitzernder kanal wie laserlicht /
  ganz fasziniert lieg ich im fremden bett /
  und schwanke zwischen traum und klarer sicht / )


was sich mir offenbart ist nicht magie /
nur die natur als schauspiel der physik /
so märchenhaft sah ich die wahrheit nie /
der bloße staub dient als erkenntniskick /

und wirbelt durch den ganzen dunklen raum /
und glitzert nur wo ihn die sonne trifft /
mein hirn faßt dieses echte wunder kaum /

mein herz wünscht sich die zeit ständ still – /
ich liege wie besoffen und bekifft /
die erdbewegung nimmt sich was sie will //

 

Außerirdische Allianz (c) De Toys, 10.2.2008 @ Rummelsburger Bucht (Berlin)
Außerirdische Allianz (c) De Toys, 10.2.2008 @ Rummelsburger Bucht (Berlin)
ZWEISAMKEIT, Nr.3 (c) De Toys, 30.7.2012 @ Deichsee (Düsseldorf-Südpark)
ZWEISAMKEIT, Nr.3 (c) De Toys, 30.7.2012 @ Deichsee (Düsseldorf-Südpark)

"Die Kirche kann, wenn sie sich selber richtig versteht, nur die eine Absicht haben, sich unnötig zu machen auf dem physischen Plan, indem das ganze Leben zum Ausdruck des Übersinnlichen gemacht wird." Rudolf Steiner:

"WAS MACHT DER ENGEL IN DER SEELE DES MENSCHEN?" (1918)

 

"Die Frage ist nur: WARUM gibt es etwas? (...) Die Frage geht über Gott hinaus, weil sie ihn einschließt: Warum Gott und nicht nichts? (...) Dass es immer ein Sein gab, erspart uns, nach dessen Anfang oder Ursprung zu suchen, nicht aber, nach dessen Grund. (...) Die Philosophen entgehen dem Mysterium genauso wenig wie Physiker oder Theologen. Warum der Urknall und nicht nichts? (...) Die Frage weckt uns aus unserem positivistischen Schlummer. (...) Ist es eine Ekstase? Ich würde dieses Wort nicht benutzen, weil es kein Außen mehr gibt, in das man geraten könnte. (...) Eine Offenbarung? Wenn man will. Aber ohne Botschaft oder Geheimnis."
André Comte-Sponville:

Woran glaubt ein Atheist? Spiritualität ohne Gott (2006)

 

"Davon, daß es ein nicht psychisches, transzendentes Objekt gibt, ist die Naturwissenschaft stillschweigend überzeugt. Sie weiß aber auch, wie schwierig es ist, die wirkliche Natur des Objekts zu erkennen, namentlich dort, wo das Organ der Wahrnehmungen versagt oder gar fehlt, und wo passende Denkformen nicht vorhanden sind, beziehungsweise erst noch erschaffen werden müssen. In jenen Fällen, wo weder unsere Sinnesorgane noch deren künstliche Hilfsapparate das Vorhandensein eines realen Objekts verbürgen, wachsen die Schwierigkeiten ins Ungeheure, so daß man sich versucht fühlt zu behaupten, es sei überhaupt kein reales Objekt vorhanden." C.G.Jung: Erinnerungen, Träume, Gedanken (1961)

 

"Auch heute noch blickt der Realist nur nach außen und ist sich nicht bewußt, ein Spiegel zu sein. Auch heute noch blickt der Idealist nur in den Spiegel und kehrt der realen Außenwelt den Rücken zu. Die Blickrichtung beider verhindert sie zu sehen, daß der Spiegel eine nicht spiegelnde Rückseite hat, eine Seite, die ihn in eine Reihe mit den realen Dingen stellt, die er spiegelt: Der physiologische Apparat, dessen Leistung im Erkennen der wirklichen Welt besteht, ist nicht weniger wirklich als sie."

Konrad Lorenz: DIE RÜCKSEITE DES SPIEGELS (1973)

 

"Wir brauchen weder eine neue Religion noch eine neue Bibel, sondern eine neue Erfahrung - ein neues Selbst-Gefühl. (...) Das am stärksten gehütete Tabu aller Tabus, die wir kennen, ist das Wissen, wer oder was man tatsächlich hinter der Maske eines anscheinend eigenständigen, unabhängigen und isolierten Ichs ist. (...) Angesichts einer solchen Vorstellung scheint die Erkenntnis unmöglich oder sogar absurd zu sein, dass ich selber nicht nur in einem Tropfen bin, sondern in dem ganzen Schwall Energie, der sowohl die Galaxien als auch die Zellen in meinem Körper ausmacht. (...) Es ist so, als würde man versuchen, seine eigenen Augen ohne Zuhilfenahme eines Spiegels zu sehen oder die Farbe eines Spiegels mit den Farben zu beschreiben, die sich im Spiegel reflektieren."
Alan Watts: DIE ILLUSION DES ICH (1966)

 

"Der Naturverständige bedarf nicht des Unerforschlichen, Außernatürlichen, um Ehrfurcht empfinden zu können, und es gibt für ihn nur EIN Wunder, und das besteht darin, daß schlechterdings Alles auf der Welt, einschließlich der höchsten Blüten des Lebendigen, ohne Wunder im herkömmlichen Sinn zustande gekommen ist."

Konrad Lorenz: DAS SOGENANNTE BÖSE (1963)

 

"Auch ist nichts Mystisches oder Übernatürliches in der Natur vorhanden – was nicht bedeutet, daß wir mit unserem Gehirn alles verstehen können. Es liegt aber soviel Wunderbares – für uns offen oder noch versteckt – in der Natur, daß schon dadurch unsere Ehrfurcht davor geweckt wird."
Chr. Holzapfel: EINE KLEINE GESCHICHTE DES ELEKTRONS (2005)

 

"Heute aber ist es generell, abendländisch gesehen, nicht mehr damit getan, beispielsweise mittels der Poesie die Gegenwart aus dem Alltag herauszuheben und mittels ihres mystischen Elementes die Überwindung der unpoetischen Zeit zu verwirklichen. Der heutige Weg führt dank des bewußt realisierten Einbruches des Zugleich nicht in die Ichlosigkeit zurück, sondern über die Ichhaftigkeit hinaus in die Freiheit des Ich, in das Befreitsein vom Ich und der Egozentrik: in die Ichfreiheit. Es handelt sich nicht mehr um mystische Überwältigung oder Versenkung [die traditionelle Art des Samadhi], sondern um die nüchterne Teilhabe am Ursprung, die sich nicht im heiligen Rausch, sondern in der Überklarheit der Transparenz ereignet, wenn in urplötzlicher Erleuchtung [Satori] das an sich Unsichtbare, alles durchstrahlend, wahrnehmbar wird."
Jean Gebser, in: DER UNSICHTBARE URSPRUNG (1970)

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Institut für Ganz & GarNix

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