"Beim Lieben öffnen sich die Tore in das Quantenraumschiff."
B.N. (1993)
Benjamin Nahpol, 1993
EINANDER
(EXISTENZPOLITISCHER INITIATIONSRITUS)
nackt. ich fühle sie auf mir liegen. nackt, auf meinem bauch. bauchnabel zu bauchnabel. die köpfe hals in hals geschmiegt, kurz nach dem orgasmus, wir, schwitzend,
warm, glühend, absolut ruhig, atmend. schwer atmend. still. doppelt vollendet. bei uns angekommen. gleich schiebt sie sich wieder runter, weich öffnend schiebt sie uns ineinander, ich kralle ihre
pobacken auseinander, drücke ihr meine hüfte sanft entgegen, wir verschmelzen und pressen dabei geschmeidig die zungen umeinander, die unterlippen zu den unterlippen, die nasen nebeneinander und
wiegen uns langsam, glühender, weicher, wärmer, sprachloser und sprachloser, die weite im anderen öffnet sich unendlich, ich dringe tief und fest in ihre seele, sie spricht mir ins gläserne herz,
wir fallen ineinander, gänzlich ineinander, mensch zu mensch, vereint im unendlich offenen beieinandersein.
wir lieben uns wie liebe nur sein kann: jeder augenblick das ganze sein. durch uns hindurch. das nackte leben. wir landen
gemeinsam am höchsten kunstpol, da wo form und inhalt sich treffen. gespürte ewigkeit. die echte ewigkeit. fleischgewordene ewigkeit - lichtgewordene materie. jetzt und immer. ein unendlicher
anfang ohne ende. seelenleuchten... leuchten, warmes, schwitzendes leuchten. UNZERTRENNBAR ZWEI! keine tagebuchnotiz ist so wertvoll wie dieses sterbenkönnen. ich weiß, das war der sinn des
lebens, das große glück, ab jetzt kommen nur wiederholungen, gnadenlos intensive, immer tiefer und weiter werdende wiederholungen, jedes mal die übung für das nächste mal. jedesmal besser,
genauer, feiner, fester, weicher und härter - wir werden zu göttern mutieren mit tausend flügeln. und wir werden jeden neuen flügel im alltag testen, wo sich mit ihm fliegen läßt. das
bett als keimzelle zur heimlichen, klammheimlichen revolution. besteht aus ekstatischen subjekten, die wahre revolution, aus persönlichen personen! die intensität des urvertrauens als
integrale lust aufeinander!!!
genug der rede. ich verfalle wieder dem fremdwörterwahn. liegt ja nur daran, daß ein wort wie zum beispiel INTENSITÄT einfach unglaubliche mengen an
bibliothekarischem zündstoff impliziert, da ist 1 (ein!) gedicht NICHTS gegen. aber egal, ich hasse es, mich mit literarischen querverweisen legitimieren zu sollen. und was da eigentlich
passiert, beim lieben, das bleibt ziemlich schwer beschreibbar. ahnen tue ich nur, daß sich irgendwie die tore in das quantenraumschiff dabei öffnen. LIEBEN
müssen wir, sonst garnichts. und irgendwann muß dadurch auch das forschungsgeld dann fließen beziehungsweise die welt sich so verändern, daß es diesen indirekten tauschschwachsinn nicht
mehr geben braucht. stell dir vor: ein netzwerk liebender! jeder "liebt" (=schenkt jedem), wie es den umständen entspricht. jeder liebt jeden, wie es jeder gerade braucht. jeder jeder jeder,
jeder jeder. eine welt ohne probleme. wo sämtliche utopien aus ihren privatverstecken krabbeln und endlich umgesetzt werden können. jeder mensch ist ein
könner/gönner. freut euch darauf, denn vorfreude ist die schönste freude und dieser tag X läßt lange auf sich warten. verdammt lange... üben... und üben...
1.Reportage für "spokenword Berlin" (Wolfalleingang Hogekamp):
"VOM KLOSPRUCH ZUM STABREIM UND ZURÜCK"
(Pop-Satire über den 3.Sexpoetry-Jahresslam 2002)