Tom de Toys, 2.2.2015 (SMS-Antiprosa)
AB(END)GESANG
Es ist schon dunkel. Der vollmond ist von hier aus nicht sichtbar. Aber ich weiß, daß er mal wieder
rund ist. Die nacht ist noch jung. Ich sitze an einer beleuchteten bushaltestelle und warte auf keinen bus. Es hat geregnet. Es tropft von den dächern. Der dunkle asphalt glänzt im
scheinwerferlicht der vorbeifahrenden autos. Ich rauche eine zigarette und denke an nichts. Ich sage jetzt ich, obwohl es mich sogesehen nicht gibt. Aber meine anwesenheit lässt sich nicht
leugnen. Ich bin ein vorhandener. In mir ist leere. Um mich herum tobt der krieg. Der krieg der meinungen. Der krieg der normalen alltagsprobleme. Der krieg zwischen menschen, die sich gegenüber
anderen vorteile verschaffen wollen. Vorteile, die ich nicht nachvollziehen kann. Gegenständliche vorteile. Materielle. Das greifbare und essbare betreffend. Mein geist bleibt davon unberührt. In
mir ist windstille. Die geschäfte sind noch geöffnet. Ich wüßte nicht, was ich mir kaufen sollte. Ich bin von der inneren leere gesättigt. Ich nehme kein einziges bedürfnis nach irgendwas wahr.
Die produkte bestehen aus langweiligen illusionen. Verpackungen mit beschriftung. Die texte sind legendär, weil sie schon lange im umlauf sind. Alle texte sind legendär, wenn sie nur lang genug
im umlauf sind. Alles gestrige ist berühmt. Alles neue wird so präsentiert, als sei es von gestern. Dadurch wird es sofort legendär. Jeden tag gibt es neue sensationen, wodurch alle vorangehenden
automatisch von gestern sind und damit berühmt. Alles berühmte bleibt für immer berühmt. Das ist sein wesen und seine aufgabe. Berühmtes hat keinerlei nutzen, es ist nur wichtig, weil es berühmt
ist. Ich drücke die zigarette aus. Es regnet wieder. Kein bus kommt. Die masse demonstriert gegen die gegendemonstranten. Man ist beschäftigt. Man ist dafür oder dagegen. Ich bin.