Übersensible Antiprosa: G-ZAYTENWÄXEL

Antiprosa: "G-ZAYTENWÄXEL"
Die BUNT GELAYOUTETE Version enthält einige Überraschungen zum größeren Lesevergnügen!
De Toys 2003 G-ZAYTENWÄXEL.pdf
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Tom de Toys, 21.+28.9. & 1.+6.10.2003
@ Café „Seifen & Rosen“ + „Übersee“
(co-inspiriert durch einen privaten Brief von Ulrich Bergmann vom 24.9.03, die kursive Textstelle ist als EVENTKRITISCHES Zitat geeignet)


G-ZAYTENWÄXEL
(HOMMAGE ANS SCHARFE „ß“)


ALSO, wenn ich eins hasse, dann auf Kommando schreiben müssen. Überhaupt Befehle wirken eher demotivierend auf mich, ich kann sogenannte Vorgesetzte nicht ertragen. Als ich nicht pünktlich Lesen und Schreiben lernen wollte, schickten mich meine Eltern zum Schulpsychologen, der natürlich nicht ahnen konnte, daß aus mir sowieso ein Dichter werden sollte. Vielleicht hätten sie mich sonst auch ganz aus dem Unterricht genommen, wenn klar gewesen wäre, daß ich doch nur Unfug mit der Sprache treiben würde. Und dann dieser Deutschunterricht auf dem Gymnasium: Diktate über Themen schreiben, die mich null interessieren. Jaja: NULL ! Das gesprochene Wort schlägt zurück – klar weiß ich, daß meine Enkel die Sprache besser nicht anhand eines solchen Textes erben sollten, jedenfalls was die SCHÖNSCHRIFT betrifft. Aber da ich mein Gekrickel nach dem Abtippen schön klein zerreiße und dem Altpapier zuführe (und dabei drauf achte, daß es in der Tonne von Zeitungen und Werbung verdeckt wird), besteht jedenfalls (schon wieder jedenfalls ? ich wiederhole mich) keine Gefahr, daß dieses kostbare Faksimilé jemals für eine museale Vitrine ausgestopft wird. Keine Schulklassen, die mein Original gelangweilt umkreisen müssen, kein literaturhistorisches Geschwafel über die TRADITION der Antiprosa, kein Lehrer, der sein fundiertes Wissen ausspielen darf. Aus der Vernichtung des handschriftlichen Originals folgt die Vernichtung von Interpretationsbandbreiten, die sich mithilfe durchgestrichener Textstellen auftuen, und damit auch der Boykott zahlreicher intellektualer Arbeitsmaßnahmen. Als einzig relevantes Endprodukt existiert nur diese digitale Kopie und über deren inhalt läßt sich wahrlich streiten ist sie doch scheinbar rein metapoetologischer natur und hat mit natur rein gar nix am hut geschweige denn formal alles nur im computer ohne punkt und komma wie das rauschen der wellen ja lach nur ich weiß eine kitschige metapher aber so ist eben das echte leben da draußen am strand wenn der Wind Weht ohne an seine alliteratorische stilblüte zu denken und überhaupt was heißt schon denken denken ist anstrengend das muß nicht im urlaub sein immer dieses sich zusammenreißen seiner rolle gerecht werden als ob dichter permanent inspiriert wären das glaubt doch eh keiner mensch fünf minuten am tag wie bei bekloppten kurz durchdrehen auf vollgas schalten und raus damit und zwar ganz gleich wo du dich grade befindest wenn du pech hast in der supermarktschlange oder im peitschenden regen oder aber du sitzt auf der insel am strand bei einem genialen sonnenuntergang zwischen den zähnen knirscht warmer weißer sand keine GROßBUCHSTABEN weit und breit dein gehirn spuckt ein schrecklich banales verbalvieh zwischen die muscheln dieser ZUSTAND mal wieder wo jedes wort unglaublich erhaben daherkommt wie frisch erfunden und einzigartig ja einzigartig wie der moment dieser sagenhafte anblick von rotvioletten wolkenbänken über leuchtend blauem wasser das diese orange zitternde linie um meine füße spült schaumkronen schwimmen versickern und platzen in jeder sekunde ungestüm bricht es herein und verzieht sich nach wenigen unbeholfenen pfützenbildungen still wieder ins große ganze ich spüre das schwappen der glitzernden oberfläche kein kunstwerk kann derart überwältigendes einfangen kein noch so mystischer reim kann das erlebnis ersetzen der zauber des echten entzaubert jeden versuch einer angemessenen notiz deren niederschrift bis in die dunkelheit reicht wo der erste stern oder besser gesagt dessen kosmisches restlicht aufflimmert die finger schon krampfen die nase läuft und ich mir geschworen hatte, nie aber auch nie mehr im leben auftragsthemen zu behandeln, die dann noch termingerecht in fremden händen landen, als ob Literatur öffentlich sei. Literatur ist eine total intime Angelegenheit, jedenfalls für mich. Eher verstecke ich mich bei einer Party auf einem stinkenden Klo, um ungestört Zettel und Stift zu zücken, als daß mir ein Neugieriger über die Schulter schielt und mich dabei ertappt, wie ich als vermeintlich kokettierender Halbstar ein falsches Wort oder gar ganze Zeilen demonstrativ durchstreiche und andere, ebenso triviale Assoziationsketten einfädel, die mir allerdings jetzt gerade wesentlich tiefsinniger, richtiger, wahrhaftiger scheinen als jedes schon aufgeschriebene Gedicht über den vermeintlich selben Sachverhalt: WIR SIND DA – und merken es kaum. Erst ein extremer Reiz rüttelt unser Bewußtsein wach, holt die Sehnsucht aus diesem nicht enden wollenden Kettensatzlabyrinth an den Strand zurück. Vollmond inzwischen. Das Wasser platscht wie ein gezähmtes Tier hin und her. Ich ? Bin wie hypnotisiert von dem Schreibflash, frage mich, ob das als Parodie auf Essays durchgeht oder schon eine Geschichte darstellt, obwohl keine Hauptdarsteller herumlaufen. Genügen ein paar umgangssprachliche Anspielungen Statisten, um einem Genre zugeordnet zu werden ? Wenn ich von einer Blume spreche, ist das dann automatisch Naturalismus ? Oder Anna ??? Wen könnte ich noch vermissen ? Ich bin weder Naturalist noch Dadaist. Ich hasse Prosa wie die Pest. Aber ich glaube an die Kraft der Poesie. Egal ob hingerotzt oder elegant sublimiert, egal ob in der Hauptstadt oder auf der insel. Gedichte sind absolut frei, sie passieren immer und überall. Und Gedichte machen frei, sofern sie keine Selbstlügen schönreden. Schönreden kann Jeder, alles andere ist Literatur. Achtung: Zeilenumbruch !!!

...und SSSCHNITT / 1 woche später, exakt auf den tag. und die sonne scheint wieder. soviel sei verraten, denn die zeit geht in der nahtlosen schrift verloren, auch der wechsel des kugelschreibers von schwarz zu blau, blau wie die tinte, schwarz wie der tintenfisch. als ich noch mit einem füller schrieb (das ist jahre her), war meine handkante permanenter beweis dieses elenden linkshändersyndroms, aber die zeiten sind unwiderruflich vorbei und kein streß mehr mit drei außerliterarischen weltbildern pro tag und diesem hickhack mit alten schreibmaschinen, zum x-ten mal umgedrehten blasser und blasser werdenden farbbändern, die aus jeder fingerbewegung BELLETRISTISCHES BODYBUILDING* machten. allerdings am computer DIREKT dichten, ne, das is nix für mich, das passiert DRAUßEN, noch immer, zufällig, überraschend und – *welch wunderbarer ausdruck ! ich gestehe: zuerst hatte ich „kraftsport“ notiert und „die jede zu“ statt „die aus jeder“, aber ich wollte unbedingt diese „AUS(-etwas-etwas-anderes-machen)“-form nehmen, nur daß der rytmus dann hakte, weil 1 einzige silbe fehlte, lächerlich, 1 silbe entscheidet nicht nur über den satzbau sondern auch über die wortwahl und damit die AUSSAGE, denn jedes wort impliziert seine eigenen assoziationen. sogar in der metaphysik: „gott“ ist nicht automatisch dasselbe wie „absoluter geist“ und „identität“ nicht notgedrungenerweise das gegenteil von „differenz“. aber das führt jetzt entschieden zu weit, hier geht es nur um... was eigentlich ??? bäumchen bäumchen wechsel dich, die popliteratur ist wiedermal scheintot, die politik immer noch nicht mit den mitteln der poesie zu revolutionieren und der traumberuf schriftsteller reduziert sich <dank neuer medien> auf einen albtraum von buchstabendesign zur vertuschung von seriellen produkt-synonymen: blas sie auf, deine worthülsen, lackier sie in neon, den rest übernimmt eine firma für außenwerbung. und was mache ich ? kriege den essay nicht zu ende, obwohl ich in gedanken schon längst wieder am schreibtisch sitze und diese „allmähliche verfertigung“ (siehe VON Kleist) mir auf dem veralteten monitor entgegen strahlt, als seitenansicht, ganze seite, seitenbreite, mehrere seiten, normalansicht, und per mausklick diverse passagen (nur probeweise) in komplette großschrift umformatiere – umformatiere ? bestimmt wieder das falsche fachwort. klingt aber bombastisch nach arbeit. inmitten von massenarbeitslosigkeit. wenn ich zum beispiel diesen vorläufigen schlußsatz jetzt GROß SCHREIBE, KANN NIEMAND VERGLEICHEN IM NACHHINEIN AUSRECHNEN, OB DAS NUR EINE VON MEHREREN NOTLÖSUNGEN DARSTELLT ODER IM NICHT MEHR VORHANDENEN ORIGINALTEXT SCHON ANGELEGT war – war ? ist ! denn ich schreibe es tatsächlich jetzt gerade auf. ich schreibe: JETZT ! aber ich werde meinem nach chemie stinkenden PC bald einen klaps auf den ventilator geben, damit der motor nicht heiß läuft, und dann IST SCHLUß MIT LUSTIG. Dann bewerbe ich mich damit für ein Stipendium. An der großen Weltlage kann ich als Künstler sowieso nichts ändern. Das kollektive Bewußtsein: ein langsamer Selbstläufer – mein eigenes: Leerlauf... diese Gesellschaft stellt die falschen keine lyrischen Fragen. Die Oberfläche liegt auf der Hand.

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