"Frederick Spiegelberg vertrat die Theorie, daß die höchste Form von Religion darin besteht, die Religion zu transzendieren. Er nannte sie die Religion der Nichtreligion. (...) Spiegelberg und ich hielten Ideen und Begriffe von Gott sowie fixierte Vorstellungen eines 'rechten Weges' in einer geistlichen Kultur für Formen eines Götzendienstes, der unheilvoller war als jede Menge materieller Bilder und Ikonen. (...) Er ging 1937 nach Amerika, und ich folgte ihm nur ein Jahr später. Bis etwa 1945 unterrichtete er an der Columbia University und am Union Theological Seminary und übersiedelte dann nach Stanford. Ich folgte ihm wieder, als er im Jahre 1951 die American Academy of Asian Studies in San Francisco gründete und mich einlud, Mitglied der Fakultät zu werden. Kurz gesagt, er führte mich an den Ort, wohin mein innerer Kompaß zeigte."
Alan Watts, in: ZEIT ZU LEBEN (1972)
"Ich hatte immer den Eindruck, daß den Psychotherapeuten im großen und ganzen die metaphysische Dimension fehlt; mit anderen Worten, daß sie die Mentalität von
Versicherungsbeamten besitzen und in einer geschrubbten, desinfizierten Welt leben, in der es keine Mystik, Magie, Farbe, Musik und Ehrfurcht gibt und wo im Herzen kein Platz ist für den Klang
eines Gongs aus einem fernen Tal. Das ist eine einseitige Weltbetrachtung, von der ich die meisten Jungianer und solche 'Freaks' im besten Sinne des Wortes wie Groddeck, Prinzhorn, G.R.Heyer,
Wilhelm Reich und andere weniger bekannte ausnehme. Abraham Maslow schrieb im Jahre 1954, die amerikanische Psychologie sei >>überpragmatisch,
überpuritanisch und zu sehr zweckbestimmt. ... Keine Lehrbücher enthalten Kapitel über Spaß und Fröhlichkeit, über Muße und Meditation, über Faulenzen und Trödeln, über ziellose, nutzlose
Aktivitäten.<< (...) Die orthodoxe Psychoanalyse hat sich in zunehmendem Maß als ein religiöser Kult erwiesen und die klinische Psychiatrie als ein System der Gehirnwäsche.
Heute ist das Feld offen für Strömungen und Methoden, die von der stillschweigend vorausgesetzten mechanistischen Metaphysik des 19. Jahrhunderts weitgehend frei sind. Dazu gehören die
humanistische Psychologie, die transpersonale Psychologie, die Gestalttherapie, die transaktionelle Psychologie, die Encounter-Therapie, die Psychosynthese (Assagioli), die Bioenergetik (Reich)
und ein weiteres Dutzend interessanter Methoden mit schwerfälligen Bezeichnungen."
Alan Watts, in: ZEIT ZU LEBEN (1972)
Selten schreibt Tom de Toys überhaupt Prosa, und wenn, dann nur als sogenannte Antiprosa, weil er weder Figuren formt noch Geschichten erzählt. Genau genommen handelt es sich um Neuroprosa, die sowohl der automatischen Schreibtechnik als auch dem antimetaphorischen Assoziationsfluss
verpflichtet ist. Der satirisch-spirituelle Essay "HUXLEARYVOLUTION (DIE SANFTE VERMÖBELUNG)" ist solch eine zugleich surreale, hyperreale und transreale Collage aus tiefenphilosophischen &
tagespolitischen Anspielungen. Schon immer beschäftigt sich De Toys nicht nur in seiner Direkten Dichtung als Neuropoelitiker (ein Neologismus aus Neurologie, Politik und Poesie) mit den
GRUND(LOS)BEDINGUNGEN DER MENSCHLICHEN "INWESENHEIT", sondern scheut nicht davor zurück, fälschlicherweise als paranoid oder esoterisch abgestempelt zu
werden, wenn er mit satirischem Ernst unzeitgemäße mystische und kosmische Elemente in seine neurosoziologischen Abhandlungen einstreut.
"Die Logik der Aufteilung menschlichen Seins in Kategorien und Fächer dient nur dazu, unsere Zweifel an unserer Ganzheit zu verstärken und uns unsicher zu machen. Unsere Ganzheit aber gründet auf dem, was uns unser Gefühl und unser Herz sagen. Die Sprache des Herzens kommt aus den tiefen Bedürfnissen nach Liebe und Wärme, die man sowohl geben als auch empfangen möchte. Unsere Zivilisation aber hat uns ängstlich gemacht und versetzt uns in Scham, wenn wir uns verwundbar fühlen."
Arno Gruen, in: DER WAHNSINN DER NORMALITÄT (1987)
Tom de Toys, 27.10.2008, 9-12 Uhr @ CROSSI (Pannierstreet 56)
+ finale Ergänzung am 26.4.2011 (13:13h)
HUXLEARYVOLUTION
(DIE SANFTE VERMÖBELUNG)
Was ist eigentlich aus der sogenannten BEWUßTSEINSREVOLUTION geworden, die mit Huxley, Watts und Leary Mitte des letzten Jahrhunderts begann?
Michael Murphy und Stanislav Grof gehören zu den letzten lebenden Veteranen, aber wer kennt sie schon außerhalb von
transpersonalen Spezialistenkreisen! Hast Du Dich auch schonmal gefragt, was die Helden Deiner Jugend heutzutage machen, während Du einen stinknormalen
Montagmorgen irgendwo auf dem Planeten mit den vertrauten Ritualen beginnst, um gar nicht erst darüber nachzudenken, wie langweilig und sinnlos nicht nur Dein eigenes Leben ist sondern ALLE
ÜBERALL GLEICHZEITIG ihrer gewohnten Beschäftigungstherapie nachgehen. Ich nenne das ab jetzt die "strukturelle Diktatur der Normalität" (SDN), die sich an Regentagen als subtile
Melancholie bemerkbar macht: Du erinnerst Dich plötzlich wehmütig an die erste große Liebe, Deinen ersten Urlaub ohne Eltern und den ersten Waldspaziergang
unterm prall leuchtenden Vollmond... Was ist seitdem geschehen? Du bist älter geworden, einfach nur älter, älter und immer älter. Wenn du Glück hast sogar gesund geblieben. Oder zumindest nicht
todkrank. Womöglich hast Du eine zweite Sprache gelernt, um irgendwo im Ausland jemandem zu erzählen, woher Du kommst und was Du so alles im Alltag machst. Danach wird das Gespräch wieder aufs
gute Essen gelenkt, garniert mit kurzen Kommentaren über die kritische Weltlage - und alle wissen, was gemeint ist: die Klimakatastrophe, der Bankenskandal und die Genforschung. Kein Wort zuviel.
Das richtige Gemisch an Floskeln für die jeweilige Situation. Sogar Tiefgang mutiert zu Smalltalk - und überhaupt: habe ich grade "kritisch" gesagt? In der schönen neuen SDN-Welt gibt es
keine echte Kritik, weil jede Kritik erlaubt ist, ohne etwas zu verändern! Jeder ist bemüht, seine Position stabil zu halten und klüngelt dafür mit jedem, der sich die Langeweile mit ähnlichen
Hobbys totschlägt. Willkommen im Sandkasten der Erwachsenen! Spiel mit mir oder ich klau Dir Dein Förmchen! Es gibt keine religiösen Fanatiker. Es gibt auch keine politischen Fanatiker.
Es gibt nur massenweise Menschen, die froh sind, wenn sie irgendwo mitspielen dürfen. Und jeder beteiligt sich an der Erfindung von Spielregeln, indem er einfach nicht mehr macht, als dort zu
sein, wo er ist. Ein lückenloses System absorbierter Individualität. Protestiert jetzt wer da hinten in der letzten Reihe? Das Individuum braucht mittlerweile keinen freien Willen mehr,
erstrecht keine unsterbliche Seele. Das postmoderne Leben begnügt sich mit Befriedigung der überlebenswichtigen Grundbedürfnisse und erklärt jedem den Krieg, der die eigene Ruhe stört.
Die allgemeine Leichenstarre. Getarnt als Turnübungen für Zombies. An Strandbars und in Edelbordells. Kein Sand mehr im Getriebe. Der Sand ist aus Plastik. Die Welt ist kein quantenmechanisches
Mysterium sondern ein billiges Feinstaubgemisch aus glitzerndem Plastikmüll, der über das Plankton auf dem Meeresgrund an die Menschmaschine verfüttert wird.
Adornos Dialektik ad absurdum: Sand war gleich Natur und Plastik wurde Kunst, doch wenn der Sand aus Plastik, ist NATUR GLEICH KUNST und alle sind Kunstwerke. Beuys wäre
geschockt, aber seine Asche leuchtet in den nördlichen Glühwürmchen noch lange nach. Oder sind es doch Elfen mit Vampirzähnen? Der elektrische Leib von Walt Whitman wird jedenfalls endlich unter
Starkstrom wiederbelebt und dabei zufällig das letzte Weltwunder entdeckt: Einsteins Gehirnhäppchen passen perfekt in Whitmans hohlen Schädel. Kinder hatten das glitschige Puzzle unterm
Weihnachtsbaum zusammengefügt und erhielten dafür den Jugendforscht-Nachwuchspreis, weil des Dichters Schädel gläsern zu leuchten begann und das erste Wurmloch nun wie eine Wunde im Weltall aus
ihm klafft. Mikroskopische Quantenraumschiffe transportieren schon bald die ersten Milliardäre ins kosmische Urlaubsexil und wir kennen es aus der Geschichte: In keinen hundert Jahren können sich
sogar Hartz4-Empfänger einen Sonntagsausflug in eine ferne Galaxie leisten. Montags sitzen sie dann alle wieder an ihrem üblichen Platz in der Stammkneipe. Es
regnet. Der Gesprächsstoff reicht aus, um die Verzweiflung über die Sinnlosigkeit der Routine in Schach zu halten. Die sanfte Revolution der Normalität hat etwas beinahe Romantisches:
Alle sind gut und geschmeidig übers Spielfeld verteilt, jeder Atemzug ein Schachzug, um die neurochemische Kollektivhypnose permanent zu stimulieren. Nirgends eine Nische, um den Atem
anzuhalten. Aus dem Traumpaar Eros und Psyche wurde Latex und Psychopharmaka. Der letzte Zenmeister verkauft seine Peitsche, um die Miete für den
laufenden Monat zu bezahlen. Wir leben in der sogenannten Gegenwart - der totalen Gegenwart ODER ZUMINDEST DER SUBTIL TOTALITÄREN ohne metaphysische Möglichkeit zu
flüchten...
WEITERFÜHRENDE LITERATUR:
Luigi De Marchi: DER URSCHOCK (1984)
Aldous Huxley:
Schöne Neue Welt (1932)
Alan Watts:
Vom Geist des Zen (1935); Die sanfte Befreiung (1939); Weisheit des ungesicherten Lebens (1951); Kosmologie der Freude - Abenteuer in den Welten des Bewusstseins (1962); Die Illusion des Ich
(1966); Erotic Spirituality - The Vision of Konarak (1971); ZEIT ZU LEBEN (1972); Der Lauf des Wassers - Die Lebensweisheit des Taoismus (1975)
Norbert Wiener:
Mensch und Menschmaschine - Kybernetik und Gesellschaft (1950)
Marilyn Ferguson:
Die Sanfte Verschwörung. Persönliche und gesellschaftliche Transformation im Zeitalter des Wassermanns (1980)
Hans A. Pestalozzi:
Die sanfte Verblödung. Gegen falsche New Age-Heilslehren und ihre Überbringer - Ein Pamphlet (1985)
Elmar R. Gruber:
Sanfte Verschwörung oder sanfte Verblödung? Kontroversen um New Age (1989)
Timothy Leary:
Neuropolitik. Die Soziobiologie der menschlichen Metamorphose (1981); Neurologic (1993)
Robert Anton Wilson:
DER NEUE PROMETHEUS (1983)
Michael Murphy:
Der Quanten-Mensch (1992)
Stanislav Grof:
Kosmos und Psyche. An den Grenzen menschlichen Bewußtseins (1997)
Dr. Egon Denkmal:
ANTITOURISMUS STATT ANTITERRORISMUS - PLÄDOYER FÜR EINEN "HOLISTISCHEN HUMANISMUS" (1999)
Essay: "SPÜREN WIR DAS EGO? JENSEITS VON NEUROBIOLOGIE & BEHAVIORISMUS" anläßlich des 100.Geburtstages von Alan Watts am 6.1.2015 (Erstveröffentlichung im Magazin connection spirit)
The Esalen's 50th anniversary movie in September of 2012: "SUPERNATURE: ESALEN AND THE HUMAN POTENTIAL" in Big Sur...
Did you know that Esalen started in 1962 with a workshop by Alan Watts? They invited all fans & friends of Watts who
took part already in his living-room speeches before: Read about the beginning of Esalen in the autobiography "IN MY OWN WAY" (ZEIT ZU LEBEN, 1972) by Alan
Watts!