Die CopyArt-Erstveröffentlichung erfolgte im Jahre 2000 in der G&GN-Edition "sonDAdruck" auf einem doppelseitig bedruckten neogrünen Papier in einer limitierten Auflage von 200 Exemplaren...
Tom de Toys, 30.1.2000 (Schönstedtstraße, Berlin-Neukölln)
S O N N T A G E N
( I.C.H.-Plädoyer )
Wozu einen Roman schreiben ? Neues Leben hat begonnen – kein Grund für Romane ! Im Gegenteil: Aufwachen im neuen Zimmer bedeutet sich freuen über die Ruhe, die Fastfrühlingssonne, die nochweißen Wände, den fehlenden Kaffee
und endlich mal eigene Bücher durchstöbern. Ich meine natürlich die nichteigenen Bücher, die fremdgeschriebenen, die meiner seit Jahren von Umzug zu Umzug geschleppten Bibliothek, die ich nie
lesen konnte, solange ich selber ... ach, so ein Quatsch, diese "Literatur" !!! Letztlich auch nur als bessere
Zeitung. Was steht denn schon drin ? Über Liebe und Sinn, das Leben danach (neuerdings auch davor) und dann, für die ganz Schlauen, ganz dicke Wälzer über die letzte Frage des Dichters: WOZU
EINEN ROMAN SCHREIBEN. Naja... so ist das dann. Zuerst schreibst Du Dir die Seele vom Leibe, dann gewöhnst Du Dich
an den seelenbefreiten Leib, um dann irgendwann angsthasengleich die Seele neu zu erfinden, damit sich der Leib in seinem Leib wohlfühlen kann. Oder so. Was weiß ich denn. Jetzt paß mal genau
auf: Du glaubst doch nicht wirklich, daß ich mich nach Unmengen Gedichten so mirnichts dirnichts hinsetze, dazu noch an Sonntagen, und diesen völlig verfehlten, überflüssigen Roman über Nichtwerktage schreibe, als ob ich noch immer besessen wäre, Gedankenstrom festzuhalten, als ob dadurch irgendwas zu verändern sei, an der Gesamtsituation oder auch nur diesem Stromkreis, der meine geheiligten Hände ins Hirn trägt, von innen, durch Netzwerke von Adern, Impulsen und ausgehärteten Hohlkörpern mit schmierigem
Krimskram drin. Ich sage Euch: Schreibt den Roman besser selbst ! Und zwar jetzt augenblicklich sofort oder nie. Falls Euch nur irgendwas einfällt, für das es sich lohnt, nicht an
die Sonne zu gehen, im milden Wind zu spazieren, mit anderen Menschen Sätze zu tauschen und Nahrung zu suchen,
indem Ihr von einem Kulturevent zum anderen wechselt und zwischendurch auf der Strecke... (am Imbiß haltmacht, ins Restaurant geht, den Supermarkt plündert, das Butterbrot auspackt)
bleibt. Luft raus. Elektroschock. Doppelt und dreifach. Die innere Leere. Die äußerste Reizflut. Das Abspeichern vergessen.
Dateienstau. Namenschaos. Formatierungsprobleme. Sinnfrage. Schluß. Ende. Aus. Durchatmen. Ganz langsam. Nicht aufregen. Wird alles wieder gut. Du hast eine leibhaftige Mutter. Einen echten
Vater. Geschwister. Freunde. Feinde. Fans. Ein Dach überm Kopf. Genügend Geld, um sonntags frei zu machen. Also mach frei ! Na los !!! Muß man Dich etwa ins Grüne treten ? Oder schaust Du Dir echtes Leben nur noch auf Großleinwand an ? Schon das Auge des Frischgeborenen empfängt tausend mal mehr Echtheit als
alle Filme der Welt. Das hat nichts mit Philosophieren zu tuen, auch nichts mit der virtuellen Schizophrenie. Sondern ganz einfach mit einer sogenannten "Intercorporalen Hygiene"
(I.C.H.). Denn letztlich zählt nur jede Gegenwart. Deine eigene Gegenwart. Die ekstatische Erinnerung an Dein
Dasein. Diese Rückkehr ins direkte Mitspielen. Und das Beste draus machen. Wer weiß, was noch alles passieren könnte, wenn Du Dich einläßt. Die Welt ist sehr groß, vielleicht sogar größer als bisher vermutet. Weder räumlich noch zeitlich. Nicht geistig. Nicht sinnlich. Aber vielleicht irgendwie
anders. Prüfe Deine Bewußtheit. Deine Aufmerksamkeit. Deine Wachheit. Und Fähigkeiten. Prüfe rundum Dein Empfinden für das,
was unmittelbar umgibt. Das ist der Kontakt, mit dem alles beginnt. Das Eins-sowohl-wie-Zwei sein. Wenn noch Geheimnisse lüften, dann hier. Denn
alles ist aus diesem
Atomstaub gemacht. In ihm
steckt die Antwort, er
ist überall. Durchdringe
den Staub,
ohne
Bilder
zu
schaffen. Verbünde
Dich
mit ihm,
denn
Du bist
aus
Staub und
Staub
kann
sprechen