Tom Toys, 22.4.1994
FRÜHLINGSSCHOCK
und wieder ein sommer
mit rastloser arbeit
vertan
verschenkt
und verloren
und wieder ein sommer
im kühlen büro
sortiert
gesichert
verdorben
wir betten uns
im alltagsstreß
wir betten uns
im freizeitspaß
wir betten uns
im harten schlaf
und grober liebe
flüchten
in das straßengrab
und die cafés
wo ich die zeilen schriebe
wenn noch was
zu retten wäre
AUßER DIESER LEERE
und die hoffnung
auf den näxten sommer
und den näxten
der die winter alle überholt
die winter
allesamt ich sage
alle winter alle alle
und für allemale
warme luft
und warme worte
keine leichenasche
die das licht zersiebt
ich bin
INS LICHT VERLIEBT
ins licht der ungehörten
sehnsucht
sehnsucht
weil sich meine sehnsucht
aus dem traum
ins leben schiebt
die nacht war lang
der tag ist ewig
wo sind meine anderen
erinnerungen
brauch ich nicht
nur menschen
die den sprung ins
gegenwärtige jetzt wagen
UND NICHT WARTEN
bis sich etwas ändert
an den kriegen
an den kinos
an den kakerlaken
und der kunst
als ob sich etwas ändern könnte
wenn kein mensch sich
für die gegenwart entscheidet
sondern an der zukunft leidet
an der selbstgemachten schneidet
tief ins fleisch
die messer der verzweifelten
gewöhnung
bohren durch den unterleib
den vollgestopften
und gelähmten
bohren durch den überkopf
den zugepfropften
und gezähmten
bohren bohren
still und heimlich
einen weg durchs hohle
und verletzte
krankheit und verfrühter tod
als folgen
falschbemühter not
das denken
das gehetzte
denkt nur weitere verletzte
oh wie er sich
doch verschätzte
als er sprach und dabei
nur die lügen weiterdachte
nach und nach
die möglichkeit vergaß
der dummheit frei zu widersprechen
MIT DEM GEGENWORT
trotz alltagsstreß
und freizeitspaß
spürst du
daß etwas anders läuft
seit dieser traum sich angehäuft
im raum gebiert
geschützt
mit offenen gefühlen
urgewärmt
DIE ZEIT IST IMMER REIF
für ein verhältnis
mit dem unsichtbaren
ewigen
dem grünen engel
grauen vogel
gelben zwerg
kannst du dir denken
was sie dir verbieten
mit den geistern zu bedenken
wenn nur vorgedachtes
zählt und deine zellen
quält und deine pflicht
auf arbeit reduziert
ach jedes zärtliche
ach jedes wissen
jedes wort
ach alles echte
provoziert
in dieser staubigen
verwesten
plapperei
ich schreibe wieder
gegen die verseuchte
luft
ein neues lied
in meinem garten
für den kirschbaum
blütenduft
Als chronologisch nächster Text erfolgte die Niederschrift der
"SUSANNE SELTSAM NOTIZEN", beginnend am 28. April 1994