Tom de Toys, 28.4.-13.5.1994
"DIE FARBEN DES FEUERS"
(Susanne Seltsam Notizen)
Tom Toys, 8.5.1994
WEDER FASCHIST NOCH CHRIST
wenn wir uns trauen
weder faschist noch christ zu sein
sondern wahrheit kauen
DAß WAHRHEIT DIE WAHRHEIT ZERFRIßT
im blutstrom und gedankenkreislauf
liegt nichts näher als das sein
es liegt an uns darin zu sein
hinein hinein
das leben selber schenkt brot und wein
lügen sind groß und sinn kommt leise
der strom der mich antreibt zwingt zur reise
nach draußen ins freie ins weite
ins offene land
gebäre die lust in jeder hand
keine scheu
wir bauen was auf
wir bauen es neu
wir bauen auf sand auf stein und auf wiese
wir wollen endlich menschlich sein
wie die fee eine fee
das insekt ein insekt
der zwerg ein zwerg
und der riese ein riese
die erde ist tief die erde ist schön
die engel sind affen mit haarausfall und föhn
mit darmgeschwüren pickeln und asthma
um das feuer zu schüren das echte und fiese
deiner privaten seuche persönlicher tod
komm gib mir die hand
MEIN BLUT IST NICHT ROT
mein hirn sprengt die fesseln
wir bauen auf müll eine gläserne wand
und sitzen und sitzen in modrigen sesseln
wir spielen bequeme gesetze und bräuche
dann kommt sie schon bald
die ganz private seuche
mit herzbeschwerden migräne und krebs
bist du schneller so alt
wie die brüchigen knochen
im kranken wald
komm laß uns was kochen ein letztes mahl
mit gulpigem weißbrot und frostschutzwein
mit gentechnischen zwiebeln und wässrigen augen
uns bleibt keine wahl
wenn die erde sich neigt
wir genießen den tod
wenn er sich zärtlich zeigt
ja ich bin
deine ganze lebenskraft
die persönliche seuche
die dich aussaugt und hinrafft
dein privater untergang
wenn niemand mehr gafft
weil du häßlich verfault
im wohnzimmer wartest
im fernsehen läuft krimi im bad duftet seife
der himmel ist blau die erde ist grün
ein kosmischer sarg
mit betonschleife und lichterkranz
das ham wir nun endlich vom kulturfirlefanz
verbrennt die bücher
verbrennt euch die finger
verbrennt euch selber mit haut und haar
die macht der gewohnheit vollendet den sieg
seit gestern sind alle lügen wahr
wir vernichten uns weiter im heimlichen krieg
krieg krieg krieg
spürst du die erde fühlst du das gift
das dich schleichend durchdringt
ja hörst du die schreie der bäume und flüsse
riechst du im sommer den leichengestank
ja es ist warm es ist schön es ist paradiesisch
wir baden im chlor wir liegen im freien
und führen uns fertigen plastikfraß ein
der sommer ist heiß wird immer heißer
wir glauben den scheiß der soldatentreiber
wir glauben ihn nicht wir glauben ihn doch
wir stellen uns um auf vollkornreis
wir glauben der wirtschaft
wir glauben ihr nicht
und spielen weiter gesunde leiber
der tod ist langsam der tod ist still
die seuche macht mit uns was sie will
es ist deine ganz private
deine eigene seuche
dein dumpfes hirn
voller gesetze und bräuche
und wenn du versuchst
ihr geschockt zu entweichen
mußt du es doch bald
staat oder kirche beichten
du hast keine chance
alle sind gleich
alles gefangene
ob arm oder reich
drum laß es sein
und die sonne rein
FORTSETZUNG: 8./9. MAI 1994