Die innere Niederschrift der ersten beiden Strophen des ersten transtopischen* LOCH-Gebetes erfolgte spontan still gemurmelt synchron zum "Vater Unser" in einem evangelischen Gottesdienst am 24.12.04 von 23 bis 24 Uhr im norddeutschen Scheeßel (zwischen Hamburg und Bremen), die restlichen Strophen wurden mir in den Folgetagen peu à peu eingegeben. Die Live-Uraufführung geschah am 29.12.04 auf der Privatparty "KUNST IST (K)EIN PRIVATVERGNÜGEN" bei christA Frontzeck.
* De Toys benutzte den neurosoziologischen Begriff des "Transtopischen" (Transtopie bzw. Transtopik) erstmals 2003 in dem als Samuel Lépo geschriebenen Klappentext zu seiner G&GN-Publikation "DeR eRNST IST eIN MeISTeR AUS DeUTSCHLAND" (Quelle: KULTURA extra)
"Es gibt mehr Götzen als Realitäten in der Welt (...) es gibt überhaupt keine älteren, keine überzeugteren, keine aufgeblaseneren Götzen... Auch keine
hohleren... Das hindert nicht, daß sie die geglaubtesten sind"
Friedrich Nietzsche, in: GÖTZEN-DÄMMERUNG (30.9.1888)
"Die Schwierigkeit liegt darin, daß ich weder die Rückseite noch das Innere meines Kopfes sehen kann. (...) Das Bewußtsein schaut von einem Zentrum aus, welches es selbst nicht sehen kann – und darin liegt die Ursache von allem." Alan Watts, in: KOSMOLOGIE DER FREUDE (1962)
"Frederick Spiegelberg vertrat die Theorie, daß die höchste Form von Religion darin besteht, die Religion zu transzendieren. Er nannte sie die Religion der Nichtreligion. (...) Spiegelberg und ich hielten Ideen und Begriffe von Gott sowie fixierte Vorstellungen eines 'rechten Weges' in einer geistlichen Kultur für Formen eines Götzendienstes, der unheilvoller war als jede Menge materieller Bilder und Ikonen."
Alan Watts, in: ZEIT ZU LEBEN (1972)
"So wie man jeden Punkt auf der Oberfläche einer Kugel als den Mittelpunkt der Oberfläche ansehen kann, so kann
auch jedes Körperorgan und jegliches Wesen im Kosmos als seine Mitte und sein Herrscher gelten. (...) So wie das Universum unser Bewußtsein produziert, so ruft unser Bewußtsein das Universum
hervor, und diese Erkenntnis transzendiert und beendet die Debatte zwischen Materialisten und Idealisten (oder Mentalisten), Deterministen und Verfechtern des freien Willens, die das yin und das
yang in den philosophischen Ansichten vertreten."
Alan Watts, in: DER LAUF DES WASSERS, 1975,
unter Mitarbeit von Al Chung-liang Huang
Tom de Toys, 24.-28.12.2004
ZUR OFFENEN
MITTE
[1.TRANSRELIGIÖSES GEBET FÜR DAS 23.JHD.]
DAS LOCH IST MEINE GROßE MITTE
ES DURCHDRINGT DAS GANZE ALL
DAS LOCH IST MEINE GROßE MITTE
ALS UNENDLICHER URKNALL
IN MEINEM KÖRPER WOHNT DIE LEERE
SIE TRÄGT UNS IM FREIEN FALL
IN MEINEM KÖRPER WOHNT DIE LEERE
SIE DURCHLÖST DEN ERDENBALL
MEIN GEIST VERWANDELT SICH ZU STILLE
ER BEJAHT DIE GEGENWART
AUCH OHNE WORTE SEI MEIN WILLE
OFFEN FÜR DIE FREIE TAT
DAS GRENZENLOSE LOCH IN MIR
RUHT ÜBERALL IN SEINER MITTE
ES VERBINDET MICH MIT DIR
UND TREIBT UNS VON HIER NACH HIER
DEFINITION VON ECHTER TRANSRELIGIOSITÄT
Während Elmar R. Gruber den Begriff der Transreligiosität bereits 1989 in seinem Buch "Sanfte Verschwörung oder sanfte Verblödung?" für die gnostische Urerfahrung einer verbindenden Botschaft im
vertikal-utopischen Kern aller Religionen vorschlägt und dadurch eigentlich nicht den transreligiösen sondern den interreligiösen Impuls von klassisch-transzendental orientierter Spiritualität
benennt, bezeichnet der postmodern-perinzendentale Lochismus die transtopische Überwindung jeglicher Religiosität erst als transreligiöses Moment im entkernten Seelenzentrum des Menschen.
Die neuroatheistisch-nonduale Urerfahrung eines Lochisten besteht in der integralen Seinsfühlung durch totale Disidentifikation, die zu einer inhaltsfreien Inwesenheit führt, die
keinerlei Mystifizierung der Wirklichkeit mehr benötigt. Das mystische Moment des Seins erwächst gerade aus dessen fundamentaler Grundlosigkeit anstatt eines göttlichen Grundes, der alles
verbinden und vereinen soll. Weder die Einheit des Mystikers noch die Zweiheit des Materialisten spielen für den Lochisten eine entscheidende Rolle, sondern die Nullheit der egolosen
Unendlichkeit. Diese lochistische Leere wird nicht als dialektischer Gegensatz zur Fülle erfahren - die Leere (die Nichtexistenz) taucht im Bewußtsein als essenzielle Eigenschaft der Materie
selbst auf. Darum spreche ich dann erst von vollendeter, aufgeklärter, wahrhaftiger Mystik, wenn diese das Loch (die Null, die Leere, das Absolute, das gottlos Göttliche) nicht irgendwo jenseitig
ansiedelt sondern direkt im Ganzen erkennt, ja, leibhaftig mit allen Sinnen spürt. Das ist der "mystische Materialismus" der GRUNDLOSEN INWESENHEIT. Eine sehr nüchterne, sachliche
Ekstase, die auf alle esoterische Hirngespinste verzichtet und das totale Leben als höchste Kunst feiert! (De Toys, 10.3.2015)
"Auf Schopenhauers furchtbare Botschaft 'Gott ist tot' konnte Nietzsche nicht mit dessen Gleichmut reagieren. In der FRÖHLICHEN WISSENSCHAFT stellt er fest, daß beim modernen Menschen das schon unerträgliche Gefühl von Einsamkeit und Verletzlichkeit, das mit 'Gottes Tod' verbunden ist, von einem Gefühl nicht wiedergutzumachender Schuld verschärft wird. Denn wenn Gott tot ist, warum ist dies geschehen? 'WIR HABEN IHN GETÖTET - IHR UND ICH'. Möglicherweise trug die Tatsache, daß Nietzsche Sohn eines protestantischen Pastors war, nicht wenig zu dieser Schuldreaktion auf den Verlust des Glaubens bei. Aber vielleicht fasziniert und erschüttert uns Nietzsches Denken gerade deswegen so, weil es - vielleicht auch in seinem Wahnsinn - sinnbildlich die tausend Qualen des menschlichen Affen spiegelt, der von seiner einsamen Wahrheitssuche in Anspruch genommen ist."
Luigi De Marchi: DER URSCHOCK (1984)