P O L I T L Y R I K

"irgendwelche schmal-langen texte, die schätzungsweise gedichte sind."

(rd, 4.9.2011 in der Lyrikzeitung über De Toys)

 

"da werd ich glatt politisch und sage: GEGEN BANDWURMGEDICHTE!"
(richard duraj, 16.4.2012 in der Lyrikzeitung über De Toys)

 

"Das Politische geht längst neue Wege, jenseits langatmiger Parteiprozesse. Man muss nicht mehr im Wahlkampf für eine Partei trommeln. Auf der anderen Seite ist es bezeichnend für den politischen Einfluss von Literatur im 21. Jahrhundert, dass die Autorinnen erst Online-Petitionen starten mussten, um etwas bewegen zu können. In Romanen oder Gedichtbänden Stellung zu beziehen, ist tapfer, aber wirkungslos. Gleichzeitig sind Schriftsteller dafür prädestiniert, von den Medien besonders wahrgenommen zu werden, auch wenn sie vielleicht Worte finden können, die viele Menschen erreichen. Sie können Missstände aufzeigen, ohne abgedroschen zu klingen, das ist jedenfalls die Hoffnung. Vor allem haben Schriftsteller weniger zu verlieren: Sie können die Gesellschaft beobachten und analysieren, ohne dabei die Meinung eines Arbeitgebers reproduzieren zu müssen, ohne Gefahr zu laufen, ihre Karriere aufs Spiel zu setzen."

Dana Buchzik, in: DANN BEOBACHTEN WIR EBEN ZURÜCK!

(Die Welt, 14.12.2013)


Was ist politische Lyrik und was nicht? Genügt die abstrakte Andeutung von Mißständen oder müssen auch Namen und Schauplätze mit Datum und Analyse genannt werden? Dürfen politische Elemente mit anderen Themen wie Liebe & Spiritualität vermischt werden? Sollte man das dann ein "unreines" Politgedicht nennen? Liegt es nur an der antimetaphorischen Direktheit des Textes oder an seiner kryptischen Indirektheit, inwiefern seine Botschaft als politisch empfunden wird? Meint dann das Gattungsattribut "politisch" automatisch schon DEMAGOGISCH platt & plakativ oder eben nur EXTREM DIREKT im Gegensatz zu romantisch-metaphysischen Symbolen? Ab wann ist ein poetischer Text also politisch? Gibt es überhaupt "unpolitische" Lyrik? Bezieht nicht jedes Gedicht schon Stellung im gesellschaftlichen Kontext, indem es die Meinung des "lyrischen Ichs" begrifflich positioniert? Das Gedicht "Extase statt Elite" entstand zur Blütezeit der SocialBeat-Bewegung und muß laut gebrüllt werden, um seine volle Wirkung zu erzielen. Es wurde damals vom Autor als politisch im Sinne von "gesellschaftskritisch" empfunden, obwohl es keine eindeutige inhaltliche Analyse/Interpretation der Welt enthält, sondern nur einen groben PAUSCHALEN Wutausbruch ohne Vision.

DIE 3x LÄNGERE ORIGINALVERSION SIEHE IM PDF !!!

De Toys: "WARUM HAST DU NICHT ZUR ANDEREN SEITE GESCHAUT?" (G&GN 2008)
93 Kritische Gedichte von Köln bis Neukölln 1993–2008 (Heimliche Hommage an Rolf Dieter Brinkmann) im G&GN-Verlag 2008 / ENTHÄLT ALS NR.7 DIE LANGE ORIGINALVERSION VON "LANGEWEILE" VON 1994 !!!
93x_DeToys-ANDERE SEITE_2008 update.pdf
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"kurz vor sowie kurz nach dem 'mystischen moment' entsteht der reine pathos der realität - in diesem sinne ist lyrik wohl noch immer der beste kompromiss gegen das totale 'nichts-sagen-zu-haben', und: mystik kann nicht politisch sein, denn sobald sie spricht, ist sie keine mystik mehr sondern lyrik! und DIE ist dementsprechend immer MEHR ODER WENIGER politisch, soll heißen: weder so noch so (modern dualistisch) sondern sowohl als auch (postmodern kybernetisch): die prozentanteile machen es aus!!! die PROZENTE im text!!! wieviel prozent reinstes gefühl und wieviel prozent rustikale gegenständlichkeit…" De Toys, 4.12.2011 (18:08h)

ich bin dankbar und froh dafür, daß ich rund um die uhr auf allen kanälen ABGEHÖRT werde, denn ich  habe schon seit jahren den spieß umgedreht und nutze diese globale option, um wichtige botschaften (wie z.b. neuroaktive gedichte von mir und zitate von Alan Watts) per sms an die kommando-zentralen zu senden, indem ich sie MIR sende. indem alles über die großen digitalen knotenpunkte läuft, weiß ich, daß sie von agenten gelesen und weiterverbreitet werden, nämlich in ihrer eigenen büro-einheit: "hey jack, schau mal, was da grade unter dem stichwort BOMBE reinkam: ein cooler lebensspruch von alan, der schon vor 70 jahren die wahrheit auf den punkt brachte!" die sms werden ausgedruckt und hängen großformatig als plakate in vielen foyers von geheimdiensten. wenigstens sitzen dort schlaue leute, die das poetische zeug VERSTEHEN und politisch weiterverwerten. SO wird man nebenbei ein authentisch ENGAGIERTER dichter, ohne selbst einer organisation anzugehören.

(QUELLE: www.popschamanismus.de, facebook, den 12.12.2013)

 

Poemie: "EXTASE STATT ELITE"

(KURZFORM VON "LANGEWEILE")

"Ein Wechsel der politischen Ideologie ändert weder etwas an der Verstümmelung des Selbst noch an der daraus resultierenden Gewalt. (...) Wo die Ideologie der Macht gilt, wird das Selbst von seinem inneren Kern und damit auch von den Wurzeln seiner historischen Erfahrung abgeschnitten - unabhängig von der speziellen Färbung dieser Ideologie und der jeweiligen Organisation der Produktionsmittel. Die daraus resultierende Destruktivität kann ihren Ausdruck entweder im Konformismus oder in der Rebellion finden. (...) Revolutionen mögen an den Formen der Knechtschaft etwas ändern oder nicht - an der Knechtschaft selbst ändern sie nichts, solange die Autoritätshörigkeit nicht überwunden wird. Dann wird weiterhin das Böse als das Gute verteidigt, und es findet keine wirkliche Befreiung des Selbst statt. Erst sie würde zurückführen zu den wahren Bedürfnissen nach Liebe und aus dem Teufelskreis der Zerstörung hinausführen."
Arno Gruen, in: DER WAHNSINN DER NORMALITÄT (1987)

 

Tom Toys, 28./29.10.1994 (Originalversion) + 4.12.1997

EXTASE STATT ELITE
(KURZFORM VON "LANGEWEILE")

ich habe keine geschichte
ich kenne keine geschichte
ich erzähle keine geschichte
IN DEUTSCHLAND IS NIX LOS
nebenan läuft die glotze
nebenan wird gelesen
nebenan wird geschrieben
geplant und diskutiert
DIE NACHT IS LANG
nebenan wird gemordet
nebenan wird geflippert
nebenan wird gespült
gedacht gefressen gestritten
nebenan wird nebenan
nebenan nebenan
ICH HASSE GESCHICHTEN
nebenan läuft musik
nebenan läuft die heizung
das wasser ein hund
über die straße
eine bahn untendrunter
ein flugzeug obendrüber
das wasser im mund
zusammen und
einer davon und auf
und davon und auf
und auf und
lauf lauf lauf
und ex und hopp
jedes gedicht is ein flop
IN DEUTSCHLAND WIRD GEREDET
und stören den nachbarn
mit blutigem schweigen
ja das täten wir gerne
das täten wir täten
wir gerne wir stören
wir reden wir schweigen
wir nachbarn wir
deutschland wir gerne
ja gerne ja täten und
was wir alles täten
bevor wir uns töten
und noch mehr töten
und noch mehr
noch und
noch und noch
und ex und hopp
und nebenan
lauf galopp
nebenan wird nebenan wird
nebenan nebenan
IN DEUTSCHLAND IS NIX LOS
ein hartes los
ein hartes ei
gebrütet gespuckt
gewindelt gepflegt
au wei au wei
ein windei ein
wei au wei
die dichter haben deutschland
in der hand
und deutschland stellt
uns dafür an die wand
wer zeigt da verstand
wer hört uns schweigen
wer backt das brot
fürs leere hirn
komm stopf mir das maul
sonst red ich mich tot
du stopf mir das maul
ja du na los
stopf mir das maul
sei nicht so faul
IN DEUTSCHLAND NIX LOS
ein dichter redet sich tot
konnte deutschland nicht verlassen
wolltes nich lieben
wolltes nich hassen
konntes nich lassen
verdient kein brot
mit kunstversagen
konnte sich nich ertragen
nix andres wagen
visionen vertagen
IN DEUTSCHLAND NIX LOS
WIR SCHREIBEN DIE LANGEWEILE
GROß

 

 

"Man könnte meinen, daß die Lebensbereiche es auch im Gedicht nötig haben, sich immer enger zusammenzuschließen. Privates und Öffentliches überlagern sich derart, daß sie zu einem Agreement kommen müssen, ob sie wollen oder nicht. (...) Das 'öffentliche' Gedicht meint also Gesellschaft, aber natürlich poetisch, nicht soziologisch. Es meint ihre Einrichtungen und ihre Korrumpierungen. Es setzt diese Massengesellschaft voraus, vor der ersten Gedichtzeile, und möchte die der Sensibilität des einzelnen phantastisch und oft genug gespenstisch anmutenden Erscheinungsformen poetisch leibhaft werden lassen. Es tut das oft, ohne daß man ihm Stellungnahmen anmerken könnte. Es registriert eher als es kommentiert. (...) Aussprache sei hier als nichts anderes denn ein kurzes Belichten von Dasein verstanden, eines Daseins, das stellvertretend für unzählige steht. Die 'Belichtung' bemüht sich darzulegen, daß der Tod des einzelnen, so gering sein Leben auch anzusehen ist, etwas eröffnet, was mehr ist als in der Ziffer einer Statistik festgehalten werden kann, etwas, das nicht einzuordnen ist in abstrakte Zahlenkolonnen. Dieser winzige Rest, der nicht aufgeht, der ein Ärgernis oder ein Geheimnis bleibt, der jedenfalls unbequem ist ..."
Karl Krolow (11.3.1915-21.6.1999), in: ASPEKTE ZEITGENÖSSISCHER DEUTSCHER LYRIK (1963, LISTBücher 249), aus der 4.Vorlesung als Gastdozent für Poetik an der Universität Frankfurt im Wintersemester 1960/61: "DAS POLITISCHE ALS DAS ÖFFENTLICHE GEDICHT"

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