T.de.T.-Zitate aus Anna Schattkowskys Feature bei "Musenkuss"
(UniRadio 87,9 Mhz, 14.11.2004, 20:05-21:00)
Als Nachspann folgte ab Minute 5:10 die vollständige On-Air-Uraufführung des DR2-Tracks "LETZTE RUNDE"...
0:51-1:45 min:
"Die Faszination kann ich verstehen, ja, so das Bedürfnis eben nach Spiritualität, das vordergründig gesehen eben erfüllt oder befriedigt wird mit solchen
pathetischen, metaphernreichen Reimen, die halt sehr wohlgefällig daherkommen und einem erstmal ganz gut unter die Haut gehen so. Aber dahinter steckt halt
ein anderes Weltbild, äh, ein anderes Lebensgefühl, als ich das heute habe. Und wenn ich ihn lese, spüre ich halt eine, spüre ich eine Art, ähm, ja vielleicht
sogar MYSTISCHE ATMOSPHÄRE, auf jeden Fall eine religiöse. Ich bin aber nicht religiös in diesem klassischen Sinne. Das Lebensgefühl, was ich
heute habe, das findet sich in Rilke halt deshalb nur zur Hälfte, nämlich in der Atmosphäre, die er verbreitet, aber in der Technik und in der Sprache, in den Wörtern, die er benutzt, da finde
ich es überhaupt nicht."
2:40-3:03 min:
"Das ist vielleicht einfacher, wenn man nicht so direkt konfrontiert und Rilke konfrontiert einen ja nicht direkt mit dem
lieben Gott oder mit eben der Unendlichkeit oder der Leere, sondern er umschreibt die so wohlgefällig, daß sie einem süßlich auf der Zunge zergeht. Und dieses süßliche
Auf-der-Zunge-Zergehen das ist zwar SCHÖN, das tut GUT, das ist wie ein Bonbon, aber man kann ja auch nicht die ganze Zeit Süßigkeiten essen!"
3:18-3:53 min:
"Das ist für mich das Überholte an ihm, das ist für mich das Nicht-Zeitgemäße an ihm, daß er geschlossene Einheiten bildet, in die man eintauchen kann, aber die
in sich drin ruhen, innen wegsacken wie so ein Sog nach innen. Und was ich brauche, ist ein Sog nach außen im Grunde,
das ist ein Sog, der -meinetwegen bei dem Wort 'Unendlichkeit'- dazu führt, daß in meinem Kopf tatsächlich sich etwas öffnet und die Unendlichkeit von ganz innen
nach außen ins echte Unendliche überschwappt - und das passiert mir bei ihm nicht: Da bleib ich in einem Kokon, in einer Höhle. Das ist, mhm, fast schon ein bißchen
magisch."
Als Nachspann folgte dann noch ab Minute 5:10 die vollständige On-Air-Uraufführung des DR2-Tracks "LETZTE RUNDE" (aufgrund des Refrains
bekannter als sogenannter "Körpermenschen"-Tango), aufgenommen Ende 1998 im Düsseldorfer looplab-Studio von Rusbee, dem Produzenten diverser Jazzkantine-Tracks, dessen Freundin damals eine
CD-Anthologie mit mehreren vertonten Dichtern ins Leben rufen wollte. Ihre wunderbare Vision scheiterte leider aufgrund ungünstiger privater Umstände, so daß die DR2-CD "freies fleisch" als
einzige Aufnahme das Licht der Welt erblickte... Erst 7 Jahre später, im Frühling 2005, vereinte ein anderes Projekt mit einer ähnlichen Vision zeitgenössische (und vorallem: zeitgemäße) LEBENDE
deutsche Dichter auf einer CD (sogar als DVD: jeder Track wurde verfilmt!): die uep-Compilation "Das Wort ist ein Virus in der Automatik der Städte", auf der
u.a. auch RoN Schmidt & stan lafleur zu hören sind, die damals auch ins looplab eingeladen werden sollten...
Tom de Toys, 13.10.1995, Rilke-Persiflage: Uraufführung mit M. Klische (Trompete) am D`doofer Rheinufer für den Telefonservice des Mainzer Literaturbüros im
Sommer 1996 mit echtem Wassergeplätscher
JEDER ENGEL IST SCHRECKHAFT
ich spüre dich
durch meine haut
ich höre dich
durch meine ohren
ich sehe dich
durch meine augen
ICH AHNE DICH
irgendwann irgendwo
du bist schön
so schön
ich brauche dich
ich sehne mich
ich will dich
jetzt
denn ich bin da und
du bist da
zusammen sind wir
GOOOOOOOOTT !!!
© Copyright by Trademark ® POEMiE, erstveröffentlicht in:
"DAS RILKE RADIKAL", 36+1 unveröffentlichte Fotos und Gedichte
aus 110 Jahren (1987-2097), G&GN-Verlag, Berlin im September 1998